Tannenhügel

Als ich dir von dem Tannenhügel erzählte, sagtest du, dass es deiner sei.
„Ich will das nicht“, flüsterte ich,
„lass es fließen“, du.
„Wozu soll das gut sein, wenn ich nur sehe, was ich nicht abwenden kann?“
„Manche Dinge können wir ändern, auf die anderen uns vorbereiten.“
Dass der Tannenhügel zu den anderen gehörte, versank in unserem Schweigen.

Hargh!

Ich sehe dich darüber lachen, dass ich mir die Haare raufe. Du verrückter Kerl. Ich weiß, dir würde gefallen, worüber ich den Kopf schüttele. Ich weiß, du würdest zu gern in die entsetzten Gesichter derer sehen, die ich davor bewahren möchte, ich weiß … Und du weißt, dass ich es weiß.

Nun lachen wir beide. Es wurde Zeit dafür, nicht wahr? Ich habe es nicht vergessen, nicht einmal eine Weile zurückgestellt. Ein wenig vielleicht, aber es blitzt immer wieder durch.
Ich möchte alles richtig machen und weiß, es ist unmöglich. „Vertrau deinem Gefühl“, höre ich dich sagen. „Sowieso“, antworte ich. Und doch. Ich wünschte, du wärest hier.

„Bin ich doch“, sagst du, „wie damals.“
„Ja“, denke ich. „Wie damals.“

Zwischen Fels und Pflanze

Vorwort

Guck, ich lebe in Inspiration und einer Welt, die mich durch Poesie erzählt. Da stehe ich, blicke aus dem Fenster und atme den Wind, der schier unerreichbar die Krone einer Tanne streift. In Zärtlichkeit eingebunden, zwischen den vielen, die ich andere nenne, weil sie andere sind, erreiche Horizont nah, was mir wichtig, als Kind.

Das Spiel der Fragen und Antworten

„Erinnerst du dich, wie du dich fortgeträumt hast, wenn du warst, wo du nicht sein wolltest? Wer von uns lernt von wem? Ich habe gelernt, dass ich keine Antworten auf deine Fragen habe. Nicht, weil ich dumm wäre, sondern weil es keine gibt.
Keine, die Frieden bringen.“
„Was willst du dann hier?“
„Den Weg vom A nfang zum Ziel suchen. Ohne zu wissen, ob dieser der richtige ist.“
„Du weißt gar nichts.“
„Und du?“
„Ich weiß alles und sage es nicht.“
„Ich atme durch. Ungezählt die Tage, an denen ich aufgeben wollte und es nicht konnte.“
„Warum nicht?“
„Das, mein Held, erzähle ich dir später.
Aber weißt du, wenn ich im Stadtpark spazieren gehe und an meinem Lieblingsbaum innehalte, mit der Hand an der Rinde entlang streiche und an dich denke, frage ich mich, ob du diesen Baum so sehen würdest wie ich.
Siehst du noch Bäume? Oder siehst du das, wofür sie dir Wort wurden, um dem Unaussprechlichen Sprache zu verleihen? Für mich ist ein Ast ein Ast.“
„Ein Ast ist kein Ast.“
„Sage mir, was du in ihm siehst, wenn du so mürrisch dreinblickst. Wir sitzen hier, du schweigst, das verstehe ich. Du fragst dich, was ich von dir will und ich frage mich, ob ich unbefangen sein kann und Bilder zeichnen darf, die für mich schön sind, ohne Angst haben zu müssen, sie könnten auf dich eine andere Wirkung haben, dass du etwas mit ihnen verbindest, von dem ich nie auf die Idee gekommen wäre, dass es diese Bedeutung für dich hat.“
„Was für ein Satz.“
„Doch du verstehst ihn.“
„Ein Ast ist mehr. Äste tragen Blätter, werden vom Stamm gehalten, der stark ist und Schutz, bis etwas kommt, das stärker ist – ein Sturm könnte ihn entwurzeln, ein Sturm! Sie fallen, diese Blätter, sie fallen im Herbst. Neue kommen; das ist, was man weiß.“
Ich lasse deine Worte schwingen und sehe dich an, doch dein Blick weist geradeaus und du lässt mich mit der Frage allein, für wen der Ast, die Blätter, der Stamm und der Sturm stehen.

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Olympia

Vier Jahre Training und dann – abgesagt.
Vier Jahre Muskelaufbau, vier Jahre Stärke zeigen,
vier Jahre Hoffen auf den großen Tag.
Und dann …
Ich fühle mich betrogen
um meinen Schmerz.

Fluss ohne Richtung

Clare wanderte durch die Nacht und kam nicht zur Ruhe. Nur noch drei Stunden bis zum Morgen.
„Ab 7 Uhr gibt es einen Grund“, hörte sie sich sagen und wusste, Sina würde es nicht akzeptieren. „Du musst schlafen!“, hatte sie gefordert, „Sonst verhaue ich dich.“
„So wie ich dich, weil du nicht isst?“

‚Das ist keine der Geschichten, die dich lächeln macht‘, dachte sie. Jeden Tag eine, hatte sie versprochen. Der verschmorte Laptop hätte dazugehört. Gestank im Haus. Chaosqueen. Normalerweise würden sie lachen.

Es fühlte sich fremd an. Inakzeptabel. Falsch. Was fühlen, solange man es nicht versteht? „Bis … nie“, dachte sie. „Bis nie.“ Aus dem Kopf auf ein Blatt, durch die Augen zurück, immer noch vorbei. Immer noch … vorbei.

Lost dream

„Tu mir nicht weh“, bat ich dich. „Tu mir nicht weh.“ Einen kleinen Schritt wollte ich mich trauen, dann den nächsten, kleinen, nach und nach. Wie damals. Damals gab es einen, der hat mich gehört. Ließ mich meine Schritte gehen, ließ Vertrauen statt Vorsicht wachsen, nährte Zuversicht, wurde mir Halt. Bis er fiel, am gleichen Tag wie die Türme. Er stand nie wieder auf.

Back to …

„Es ist gut zu wissen, dass es anderswo anders war“, sagtest du. Ich nickte schweigend. Irgendwann möchte ich dir die Hügel zeigen, wo ich geboren wurde, und die Momente der Kindheit erzählen, die Tage füllten und Erinnerungen.

Du blätterst dich durch mein Leben, Bild für Bild, aber ohne mein Wort. Siehst du mich, in dem, was ich sah und wie ich es tat? Jahr für Jahr hielt ich weniger Menschen fest, ließ Städte hinter mir, kehrte der geschaffenen Welt den Rücken und mich der wahren zu. Highlands, weißt du? Je reiner, desto Ja!

„Island“, sagte ich auf die Frage nach dem nächsten Wohin.
Warum? Weil ich dort Stille bin.

20140112 Song Back to

English for Oldies oder: Dat Kreuz mit dem Kreuz

Es ist ja ein Kreuz, mit dem Kreuz. Und nicht nur damit. Wer auch immer mal ins Krankenhaus musste, weiß ein Lied davon zu singen, vor allem dann, wenn er von einem Arzt mit Migrationshintergrund betreut wurde.
„Ich hab et im Kreuz“, hörte ich einen Patienten sagen, woraufhin der Arzt „Jesus?“ nachfragte. Der Patient schüttelte den Kopf

Nun hat irgendwer festgestellt, dass 20% aller Behandlungsfehler auf Verständigungsschwierigkeiten zwischen Patient und Arzt zurückzuführen sind. Das ist mir klar, weil doch die migrierten Ärzte beim Erlernen der deutschen Sprache mit dem Wort „Rücken“ in Kontakt kommen und nicht mit „Kreuz“.
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So und nicht anders

Es gibt ja Menschen, die wundern sich über nichts mehr. So Leute wie mich, zum Beispiel. Da fragte mich dieser Tage eine weitläufige Bekannte, wie das denn so wäre. Und ich, ehrlich wie ich nun mal bin, sagte, das wäre so.
„Och“, antwortete sie, „ich sehe, du traust mir nicht. Du hättest mir ruhig sagen können, dass es anders ist.“
Tja. Da wusste ich nun wieder nicht, was ich tun sollte. In Wahrheit ist es nämlich nicht anders, sondern so, aber wenn einem das So niemand glauben möchte, weil das Anders viel sensationeller wäre, soll ich dann deswegen lügen? Nö. Mach ich nicht.

Ich sah mich auch nicht genötigt zu erklären, warum das So aussieht, als ob es Anders wäre. „Wer sich rechtfertigt, erscheint im Unrecht“, sagte mal ein Politiker zu mir und das habe ich mir gemerkt. Er sagte auch, dass man den Leuten nie mehr sagen solle, als unbedingt nötig, weil sie sonst von den wichtigen Dingen abgelenkt sind und anfangen, Nebensächlichkeiten zu Elefanten aufzublasen. Und schon habe ich Kopfkino mit einem ganzen Fußballstadion voller Elefantenaufblaser und weiß, ich kriege das wieder die ganze Nacht nicht aus der Birne.

Daher meine Schlaflosigkeit. So ist das. Und nicht anders.

Quer zum Gleis

Maja stand am Fenster des Hochhauses und sog frische Luft ein. „Mitternacht“, dachte sie. Nur vereinzelt brannte noch Licht. In der Ferne hörte sie das leise Rauschen der Autobahn. Hätte sie Schlaf gefunden, sie wäre ins Bett gegangen. So aber blickte sie über die Gleisanlage, auf deren Schienen sich das Mondlicht spiegelte.

Es war kalt. Maja zog sich etwas über und kehrte ans Fenster zurück. „Ein Spaziergang täte jetzt gut“, überlegte sie und fragte sich zugleich, wohin er führen sollte. Bei Nacht ist es draußen nicht sicher. Hier und da drücken sich dunkle Gestalten in Hauseingänge, Stoff und Geld wechseln die Besitzer. Eine Handtasche geht schnell verloren, oder was sonst ein Stück Leben verspricht, einen Schritt weiter, ein Vergessen auf Zeit.

Unkraut zwischen zwei Gleisen. Rostiger Stahl. Mondlicht. Ein Körper am Signal. Maja stutzte. „Der Nachtzug!“ Fokussiert, ein Vergewissern, dann sprang sie in Stiefel und Mantel und stürzte hinaus, an der Hausfront entlang, die Passage hindurch, wie viele Schritte noch, wie viele Meter, wie viel Zeit bis zum …

Durchgerauscht. Kein Quietschen, kein Bremsen. Am Signal: ein Mensch. Aufrecht ihr zugewandt. „Nach dem letzten fahren keine Züge mehr“, sagte er.