Vom Meer verschlungen

Der Wind blies rauh über das Meer. Unruhig gingen die Wellen ineinander über. Es war die perfekte Welle, die Noelani in die Tiefe des Meeres zog. So weit unten erschien das Meer nicht tiefblau, sondern dunkel. Sie konnte nichts mehr erkennen und es wurde ihr unheimlich, bis sie in der Ferne ein verschwommenes helles Licht wahrnahm, was in ihr eine völlige Ruhe und Entspanntheit auslöste. Ihr Herzschlag verlangsamte sich und sie ließ sich in Trance versunken im Wasser treiben. Die Stille, die sie umhüllte und den Frieden, den sie in jenem Augenblick fand, machte sie selig.

Kein Windhauch war zu spüren, keine Wolke war am Himmel zu sehen. Die Sonne stand hoch am Horizont und verlieh dem Wasser ein silbernes Glänzen. Keine Anzeichen waren zu erkennen, von den Launen des Meeres.

Noelani konnte sich nicht erinnern wie sie nach Hause kam, aber sie konnte diesen einen Augenblick in der Tiefe nicht vergessen.

Der Morgen brach herein. Die Sonne ging auf und Noelani stand am Strand und starrte aufs offene Meer hinaus. Sie stieg auf ihr Surfbrett und ließ sich von der ersten großen Welle treiben. Sie bereitete sich vor sich von allem irdischen zu lösen und ließ sich vom Sog der Welle hinunter in die Endlosigkeit ziehen. Es war dunkel um sie herum. Da war kein Licht, und kein Gefühl der Geborgenheit kam in ihr auf. Ihr Herzschlag wurde schneller und sie fing an wild um sich zu schlagen und versuchte empor zu schwimmen. Noelanis Kraft ließ nach und sie schaffte es nicht, aufzutauchen. Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, als das Meer sie mit einem Schwall ausspuckte.

Sie hörte, wie jemand ihren Namen sagte, doch sie konnte nichts erwidern, noch die Augen öffnen oder sich bewegen. Sie sah, wie sie an den Strand gespült wurde. Jemand beugte sich über ihren Körper. Ihr Herz stand still. Was war geschehen, fragte sie sich. Eine Weile noch, sah sie dem Treiben um sie herum zu. Langsam wurde ihr bewußt, daß sie das nicht war. Das war nur ihre Hülle, die zurückblieb, doch ihre Seele wurde vom Meer für immer verschlungen.

  • Eine Geschichte zwischen Leben und Tod, ich habe sie mehrmals gelesen. Sie gefällt mir sehr, bis auf den letzten Satz. Diese Endgültigkeit „für immer verschlungen“ zerstört hart den schwebenden Trance-Zustand, in dem man als Leser mit Noelani durch die Fluten treibt. Lass sie doch treiben.

    • Lieber Mumpitz,
      Besten Dank für deine Kritik und Anregung! Jetzt wo du’s sagst, fällt es mir auch auf, daß das Ende zu hart und abrupt ist.

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