Tune in, turn on, burn out! „Energiespender“ – eine Rezension

Nein, „Energiespender“ ist kein Ratgeber zum Thema Stromsparen und auch kein Sachbuch über Kraft-Wärme-Kopplung.
Hinter dem schlichten Buchtitel versteckt sich ein Vampirroman. Allerdings kein gewöhnlicher. Der Münchner Autor Robert Königshausen hat dem angestaubten Saugersujet durchaus Neues abgewonnen. Seine Vampire saugen kein Blut, sondern Lebensenergie. Menschen mit Daseinsfreunde und einer positiven Grundstimmung sind ihre bevorzugten Kraftquellen. Wer von ihnen angezapft wird, büßt Lebensfreude ein, wird schwermütig, grüblerisch und unverträglich. Und die Energievampire sind mitten unter uns. Perfekt getarnt!

Robert Königshausen


Nicht unoriginell, dieser Storygedanke. Wenn man so darüber nachsinnt … Wer macht einem denn ständig das Leben schwer? Na klar doch: der ungerechte Chef, die ewig quengelnde Lebensgefährtin, unfaire Geschäftspartner, unfähige Helfer, falsche Freunde … Was, wenn man selbst nichts anderes ist als eine lebende Tanksäule, nur dazu da, zur systematischen Bespaßung seiner Peiniger beizutragen …?
Robert Königshausens Roman ist kein Gruselschocker. Es handelt sich bei „Energiespender“ vielmehr um eine subtile Psychostudie mit soziokulturellen Elementen. Der Roman ist besonders stark in seinen ausführlichen Schilderungen der modernen Arbeitswelt und bei der Beschreibung gruppendynamischer Prozesse. In diesen Abschnitten merkt man, dass ein genauer Beobachter seiner Umwelt am Werk war. Aus dem Sinn für Details entwickelt sich der eigentliche Reiz des Buches, nämlich das Gespür für Stimmungen und Stimmungsveränderungen. Das liest sich alles sehr faszinierend.
Allerdings hätte „Energiespender“ ein strenges Lektorat gut getan. Schlank schreiben ist zwar heutzutage groß in Mode, aber hier hat der Autor es übertrieben. An der einen oder anderen Stelle hat man den Eindruck, dass etwas fehlt oder dass man eine relevante Information überlesen hat. Da springt die Handlung allzu leichthin voran, man hätte sich als Leser eine ausführlichere Erläuterung gewünscht.
Aber egal, das perfekte Buch gibt es eh nicht. Wichtig ist, dass man nach der Lektüre nicht das Gefühl hat, seine Zeit vergeudet zu haben. Und bei Robert Königshausens Werk hat man das definitiv nicht. Es gibt insgesamt nicht viel zu mäkeln, außer eben, dass „Energiespender“ gern 50 Seiten mehr hätte haben können – und das ist doch irgendwie auch ein schönes Kompliment.


Energiespender
Robert Königshausen (Autor)
ISBN: 978-3862542291, bei AAVAA Verlag UG

  • Gut geschriebene Kritik, wie immer, wenn es aus deiner Feder kommt! Ob ich das Buch unbedingt lesen möchte, weiß ich aber noch nicht so recht… es klingt ziemlich trocken, viel Arbeitswelt, Beschreibungen – hat es auch eine Handlung, einen Faden, was Spannendes?

  • Na ja, das Spannende sind halt die Vampire! Der rote Faden ist die emotionale entwicklung des Protagonisten, der einem Energievampir zum Opfer fällt.
    Im Grunde ist es ein Textwerk, wie ich es mag und wie auch ich selbst vornehmlich schreibe: Viel Innenleben. Kein Wunder also, dass mir das Buch gefällt. Dieser Stil ist allerdings nicht jedermanns Sache, wie ich weiß. Man muss schon (*grins*) grüblerisch veranlagt sein. Nein, im Ernst, keine Angst, es ist nicht schwerfällig geschrieben.

  • Die Handlung folgt einem „klassischen“ Vampirroman, mit zugehöriger Action. Nur eben aus Sicht eines „Opfers“, was ein Ausloten der Folgen ermöglicht.

    Das spricht natürlich nicht Jeden an – und muss es auch gar nicht. Bisherige Meinungen sind weit gestreut (aber insg. positiv), von zu schnell bis zu langsam.
    Harry’s Kommentar trifft es ganz gut und ist auch gut geschrieben. Und mit den Geschmäckern ist das immer so eine Sache …

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