fridas Buchtipp: Val McDermids „Vergeltung”

Jacko Vance ist also zurück, der psychopathische Mädchenmörder und gleichzeitig gefeierter Fernsehstar aus „Schlussblende”. Ein ganz besonderer Typ aus der Psychopathen-Hölle, bei dem es nicht wundert, dass Val McDermid ihn nochmal hat aufleben lassen.

Entkommen aus dem Gefängnis, begibt er sich auf einen perfiden Rachefeldzug, auf dem er „Vergeltung” an all jenen üben will, die ihm – nach seiner verqueren Lesart – sein Recht auf das ihm zustehende „standesgemäße” Leben verwehrt haben.

Carol Jordan und Tony Hill, seine Ex-Frau und deren Lebensgefährtin, die seinerzeit beteiligten Polizeischüler stehen im Visier und geraten in höchste Gefahr. Aber Vance übt seine Rache nicht direkt aus, sondern versucht, alle je Personen dort zu treffen, wo sie am verwundbarsten sind.

Leider ist der deutsche Klappentext so „intelligent”, gleich die beiden ersten Opfer – nämlich Carols Bruder Michael und dessen Lebensgefährtin – öffentlich zu machen, bevor der Leser sich ein Bild machen kann, was Vance plant und tatsächlich auch durchführt.

Diese Bluttat löst bei Carol nicht nur ein anhaltendes Trauma aus, sondern führt auch noch zum tiefen Zerwürfnis mit Tony Hill, dem sie vorwirft, nicht sorgfältig genug gearbeitet zu haben.

Und so zieht Vance wie ein scheinbar unaufhaltsamer böser schwarzer Racheteufel von böser Tat zu böser Tat, Carol, Tony und der ganze Polizeiapparat immer ein Schritt zu spät ihm auf den Fersen. Wenn man denkt, jetzt kann es nicht mehr noch schlimmer kommen, setzt McDermid noch locker oben etwas drauf.

Wie in allen Romanen aus der Tony Hill/Carol Jordan-Reihe gibt es komplementär eine Parallel-Handlung. Das sich auflösende Sondereinsatz-Team von Carol Jordan findet sich zu einem letzten Fall zusammen: Ein Prostituierten-Mörder macht die Straßen von Bradfield unsicher. Und Tony Hill wird von Paula, seiner treuesten Freundin im Team, unter der Hand auf diesen Fall angesetzt.

Es bleibt spannend bis zum verstörenden Schluss. Der Blutzoll ist enorm hoch, von lieb gewordenen Figuren der Reihe müssen wir uns wohl endgültig verabschieden. Ebenso offen bleibt, wie es mit Carol und Tony weitergeht und ob es überhaupt weitergeht. Es wäre zutiefst schade, wenn Val McDermid die Lust an diesen beiden verloren hätte. Aber dieses Ende kann kein wirkliches Ende sein. Das wünsche ich mir als Fan der beiden ganz dringend.

Ein Tipp: Zum Einstimmen, wer Jacko Vance ist und was er getan hat, sollte man vor „Vergeltung” „Schlussblende” gelesen haben. Das erleichtert den Einstieg in diese schreckliche Figur.

Und: Val McDermid hat neulich in einem Interview verlauten lassen, dass sie sich bei der Gestaltung von Jacko Vance von dem über Jahre hinweg überaus populären BBC-Moderator Jimmy Savile hat inspirieren lassen. Savile ist kürzlich posthum als Kinderschänder entlarvt worden, über Jahre von Teilen der BBC gedeckt, einer, der sich hinter der Maske des Wohltäters umso leichter an Kinder heranmachen konnte. McDermid hatte Savile als junge Reporterin interviewt und schon damals gespürt, dass etwas Dunkleres hinter der Oberfläche lauerte. Und so holt die Wirklichkeit manchmal die Fiktion ein.

© frida 2012

fridas Filmtipp: „Cloud Atlas” von Lana, Andy Wachowski und Tom Tykwer

Nein, mit Worten lässt sich „Cloud Atlas” kaum beschreiben. 174 Minuten lang prasselt ein bildgewaltiges Epos auf den Zuschauer ein, der vor Staunen gebannt im Kino sitzt und sich die ganze Zeit darüber wundert, dass heutzutage noch so etwas möglich ist:

Ein Drehbuch (Lana Wachowski, Andy Wachowski, Tom Tykwer), das keinerlei Schwächen hat. Das sechs Geschichten aus den Jahren 1849, 1936, 1973, 2012, 2144 und 2346 mühelos miteinander verbindet.

Dazu Bilder, die dem jeweiligen Zeitraum völlig angepasst sind – ob es ein großes Segelschiff auf stürmischer See ist, eine Autojagd durch San Francisco, ein megalomanisches Neo Seoul oder die Post-Apokalypse auf einer sterbenden Erde.

Und Darsteller, unter denen kein einziger ein Ausfall ist, sondern die samt und sonders mit einer geradezu besessenen Spielfreude aufspielen.

Was die Geschichten von „Cloud Atlas” verbindet – die Storyline des Films heißt ja „Alles ist verbunden” – ist der humanistische Impetus des einzelnen, der Mut, sich gegen überkommene Konventionen aufzulehnen, der Mut, gegen das Herrschende anzudenken und sich zu wehren, eine Haltung einzunehmen, auch wenn sie nicht den gerade herrschenden Bedingungen entspricht.

Sei es der fast sterbende Anwalt, der im Jahr 1849 auf einem Großsegler einem entkommenden Sklaven das Leben rettet. Sei es der schwule junge Komponist im England des Jahres 1936, der seine einzige große Komposition – eben jener „Cloud Atlas” – vor den Begehrlichkeiten eines anderen rettet und damit sich selbst ausliefert.

Sei es eine junge aufrechte Journalistin, die im San Francisco des Jahres 1973 unter Lebensgefahr eine Atomintrige aufdeckt. Sei es der etwas zwielichtige Verleger, der sich im Jahr 2012 ins Altenheim abgeschoben gegen die Entmündigung auflehnt.

Sei es die biogenetisch hergestellte Duplikantin, die im Neo Seoul des Jahres 2144 in einer von Technokratie beherrschten Welt entdeckt, dass sie einen eigenen Willen und Gefühle besitzt. Sei es der Ziegenhirte, dessen Welt im Jahr 2346 am Ende ist, und der doch einem anderen Volk aus einem anderen Universum zum Überleben verhilft und damit auch sein Überleben sichert.

Sie alle eint, dass sie Schwäche in Stärke umwandeln, dass sie sich den herrschenden Verhältnissen entgegenstellen und damit den Herrschenden ein Schnippchen schlagen, dass sie nicht akzeptieren, dass die Welt so ist, wie sie ist. Dass sie auch den Mut haben, sich selbst zu opfern, wenn es sein muss.
Zu Beginn des Film, wenn jede Geschichte einmal angerissen wird, fragt sich der Zuschauer noch, wohin das wohl führen wird. Aber je weiter die Handlung fortschreitet, je mehr sich die Episoden vom Erzählbogen ineinander verschränken, wird man automatisch in sie hinein gezogen.

Die Wachowskis und Tykwer – die sich die einzelnen Episoden aufgeteilt haben – zeigen sich auf der Höhe ihrer Regiekunst. Und alle drei kennen sich in Filmgeschichte aus. Hier ein wenig „Moby Dick”, dort eine Reprise auf „Einer flog über das Kuckucksnest”. „Bullitt”, „Die Straßen von San Francisco” und „Silkwood” lassen grüßen, und natürlich unvermeidlich „Blade Runner”, gepaart mit „Soylent Green” und ein wenig „Coma”. Und sicher viele andere mehr, die man erst auf den zweiten und dritten Blick entdeckt.

Ja, und was für ein Cast: Tom Hanks, Halle Berry, Jim Broadbent, Jim Sturgess, Ben Wishaw und Doona Bae als Hauptcast und komplementär dazu Susan Sarandon, Hugh Grant, Hugo Weaving, um nur die bekanntesten zu nennen. Ein erstklassiges Ensemble, das mit einer ganz besonderen Spielfreude dabei ist und die Bilder so zum Leben erweckt, wie es sich die Regie gedacht hat.

Und sie alle spielen außer „ihrer” Hauptrolle eine Vielzahl von weiteren Figuren, und man muss schon oft sehr genau hinsehen, wer sich gerade hinter der Maske verbirgt.

Ein spezielles Wort zur Maske: Ich möchte nicht wissen, wieviele Stunden die Schauspieler jeweils in der Maske verbracht haben. Jedenfalls haben die Maskenbildner perfekte Arbeit geleistet. Ich habe selten eine so ausgesprochen exzellente maskenbildnerische Arbeit gesehen. Wenn ein Film einen der kommenden „Oscars” für Maske verdient hat, steht „Cloud Atlas” sicherlich an vorderster Stelle.

Tom Tykwer hat es sich nicht nehmen lassen, einen Teil der Filmmusik zu komponieren. Wenn ich mich nicht irre, geht das Musikstück „Cloud Atlas” auf sein Konto. Und auch hier: Perfektion und doch ans Gefühl gehend. Genau in der Balance – nicht zu wenig und nicht zu viel.

So überschwänglich es auch klingen mag: „Cloud Atlas” ist ein einzigartiger filmischer Wurf, ein Meisterwerk. Ein Film, den man mindestens einmal im Kino gesehen haben muss – und den man mindestens noch einmal gesehen haben muss.

„Cloud Atlas”, Regie Lana, Andy Wachowski, Tom Tykwer, USA/D 2012, ca. 174 Minuten

© frida 2012

Indien durch ein Brennglas – das ist Kalkutta!

Ich erlaube mir, auf eine ganz besondere Veranstaltung hinzuweisen, die für viele Citoyen höchst interessant sein dürfte. Im Café Stilbruch wird im Rahmen der Gladbecker Lesetage eine fremde Kultur beleuchtet: Indien steht im Blickpunkt.

Freuen Sie sich auf:
Rainer Thielmann: Indien durch ein Brennglas – Gedichte, Prosatexte, Fotos, Klänge

Indien durch ein Brennglas


Die pulsierende 15-Millionen-Metropole Kalkutta am Hooghly, einem Seitenarm des Ganges, lässt niemanden unberührt. Der Dichter und Fotograf Rainer Thielmann entwirft ein intimes Porträt der westbengalischen Hauptstadt. Durch die sinnliche Kombination von Gedichten, Fotografien, Sounds und Informationen zeichnet er ein farbenfrohes Bild, das so gar nicht zum düsteren Image Kalkuttas als „Armenhaus Indiens“ passen will.

Rainer Thielmann entdeckt die Stadt neu, ohne die Missstände zu übersehen: als lebensfrohe Kulturmetropole und heilsame Energiequelle. Auf den Spuren Mutter Teresas und des großen Dichters Tagore bis an die Stätten gelebter Spiritualität beim jährlichen Durga-Fest. So entstand ein vielschichtiges poetisches Werk, das ehrlich und offen eine fast vergessene Stadt erschließt, die noch bis 1911 die Hauptstadt Britisch-Indiens war.

Die vielfältige Exkursion nach Kalkutta findet statt am Donnerstag, den 15. November im Gladbecker Café Stilbruch auf der Rentforter Straße und im Rahmen der Gladbecker Lesetage. Startzeit ist 20:00 Uhr, eine Künstlerkollekte ist angedacht.

Was: Indien durch ein Brennglas – Gedichte, Prosatexte, Fotos, Klänge
Wer: Rainer Thielmann
Wann: Donnerstag, 15. November 2012, 20:00 Uhr bis 22:00 Uhr
Wo: Café Stilbruch, Rentforter Straße 58, 45964 Gladbeck
Wie viel: Eintritt frei (Kollekte)

Etwas, das hängenbleibt

Peter J. Scholz: „Irgendwas, das bleibt: Hinterhältig Gegenwärtiges“ – eine Rezension

Irgendwas, das bleibt (Cover) (Foto: bereitgestellt von Epv)


Um es vorweg zu nehmen: Peter J. Scholz ist einer jener seltenen Autoren, die es nicht nur lohnt zu lesen, sondern auch zu hören. Wer die Chance hat, den Dormagener live zu erleben, sollte sie nutzen.

Mit dem Erzählband „Irgendwas, das bleibt: Hinterhältig Gegenwärtiges“ hat Peter J. Scholz ein starkes Buchdebüt hingelegt. Die Kurzgeschichten gehen ans Herz und fordern zugleich das Gehirn, sie weisen überraschende Wendungen auf und sind aufgrund ihres leisen Humors gut verträglich, obwohl ihr Verfasser durchaus auf Härte und Tragik setzt.

Es geht im Buch um literarisch so dankbare Themen wie Einsamkeit, verlorene Liebe oder Wachkoma, verpackt sind sie in gewitzte philosophische Allegorien, zuweilen spielt sogar die Phantastik mithinein. Das lädt zum Nachgrübeln förmlich ein. Durch treffende Alltagsschilderungen bleiben die Geschichten aber stets auf dem Boden der Tatsachen, driften nie ins Unglaubwürdige ab – selbst dann nicht, wenn die Handlung in einem Zauberladen spielt.

Eine Welt ohne Schall, ein Mann, der sich auf krasse Art Zugang zum eigenen Inneren verschafft, Nachtgedanken um Tod und Mord … all dies ist spannend, tiefsinnig, auch mal hinterhältig, sprachlich bedachtsam, humorig, unterhaltsam. Es bleibt hängen!

Irgendwas, das bleibt: Hinterhältig Gegenwärtiges
Peter J. Scholz (Autor)
Verlag: Edition Paashaas Verlag (Epv)
ISBN: 978-3942614245

fridas Lesetipp: Thoppil Mohammed Meerans „Die Geschichte eines Dorfes am Meer“

„Die Geschichte eines Dorfes am Meer“, bereits 1988 in Indien erschienen, ist dank der engagierten Übersetzung von Thorsten Tschacher der erste auf Tamil verfasste Roman, der aktuell direkt ins Deutsche übersetzt wurde.

Sein Autor Thoppil Mohamed Meeran stammt aus der Südspitze Indiens, dem Kanyakumari-Distrikt im Bundesstaat Tamil Nadu und ist in vieler Hinsicht auch für indische Verhältnisse ein eher ungewöhnlicher Autor, da er zum einen in seiner Muttersprache Tamil schreibt – es gibt kaum Tamil-schreibende Autoren – und zum anderen Muslim ist, also einer zwar starken, aber dennoch immer noch von der Hindu-Mehrheit misstrauisch beäugten Minderheit angehört.

„Die Geschichte eines Dorfes am Meer“ ist auch in Teilen die Geschichte des Dorfes, aus dem Meeran stammt. So harmlos wie der Titel suggeriert, ist diese Geschichte ist allerdings nicht.

Die Menschen, in diesem Dorf in der absoluten Mehrheit Muslime, sind gefangen in einer Vielzahl sozialer Zwänge, die durch Religion, Aberglaube, Unwissenheit und dem Gegensatz zwischen Reich und Arm diktiert werden. Da im traditionellen Indien das Individuum immer gegenüber der definierenden Gruppe (Familie, Kaste, Religion, Eigentum) zurücksteht, beschränkt sich Meeran auf eine überschaubare Anzahl von Repräsentanten der einen oder anderen Gruppe. Und dass das Dorf hier keinen Namen hat, ist ein weiterer Verweis darauf, dass die „Geschichte“ sich so oder ähnlich in jedem anderen Dorf abspielen kann oder könnte.

Unumschränkter Herrscher des Dorfes ist der Mudalali (ungefähr „Kapitalist“) vom „Nördlichen Haus“. Dieser Mudalali ist der reichste Mann am Ort, er regiert umfassend in das Leben auch noch des ärmsten Dorfbewohners hinein. Dass er seinen Reichtum nicht ehrlich erworben hat und nur seinen eigenen Interessen verpflichtet ist, weiß jeder im Dorf, aber fast niemand wagt es, dies infrage zu stellen.

Der arme Haifischflossenhändler Mahmud ist der einzige im Dorf, der sich konsequent gegen den Mudalali stellt. Mahmud, ein Aufgeklärter nicht aus Bildung, sondern aus Menschenverstand, steht stellvertretend für jene Neuem gegenüber aufgeschlossene Minderheit, die nahezu immer in repressiven Verhältnissen zu finden ist. Er zahlt dafür einen hohen Preis.

Der Fall des Mudalali beginnt, als sich ein Tangal (ein direkter Nachfahre des Propheten) bei ihm einnistet. Dieser Tangal ist eine dem Tartuffe vergleichbare Figur, höchstwahrscheinlich ein Schwindler, auf jeden Fall ein Schmarotzer, der den Frauen hinterher steigt und die Menschen mit haarsträubenden Lügengeschichten in seinen Bann zieht. Der Tangal ist die Verkörperung des Aberglaubens und der Antimoderne, einer, der davon lebt, dass Unwissenheit das Nach-Denken verhindert.

Vierter in diesem Kreis ist der Lebbai, der Muezzin der Moschee des Mudalali. Der Lebbai ist der perfekte Untertan und Opportunist: Einer, der nach oben katzbuckelt und nach unten erbarmungslos tritt. Und der sein Mäntelchen immer in den gerade herrschenden Wind hängt. Seine große Stunde schlägt mit dem Niedergang des Mudalali.

Nicht zu vergessen die Frauen: Versteckt hinter ihren Schleiern und in den abgeschlossenen Frauengemächern sind sie lediglich Ware, die in arrangierten Ehen für die Mehrung von Reichtums und Ansehen verschachert werden. Liebe ist in diesen Verhältnissen weder erwünscht noch möglich, von freier Entfaltung ganz zu schweigen.

Mit dem – von der Obrigkeit verordneten – Bau einer Schule und dem Einzug eines aus dem Norden stammenden (muslimischen) Lehrers eskalieren die Ereignisse. Am Ende siegt die Unwissenheit, letztendlich ein Phyrrus-Sieg.

Zeitlich zwar angesiedelt kurz nach dem 1. Weltkrieg ist die Geschichte dieses Dorfes in seinen sozialen Verwerfungen zeitlos. Wissen ist Macht und damit gefährlich für die Herrschenden, Unwissenheit ist Ohnmacht und dient zur Aufrechterhaltung feudaler Verhältnisse: Das galt und gilt in allen Zeiten und Kulturen. Und damit weist Meerans „Die Geschichte eines Dorfes am Meer” auch über rein indische Befindlichkeiten hinaus, und macht sich uneingeschränkt interessant für alle jene Leser, die gerne mal über den Tellerrand westlicher Kulturen hinausschauen.

© frida 2012

Foto: frida

Monster Mash

„Die Dämonenritter“ – eine Rezension

Die Dämonenritter (Cover)


Fantasy mit einem Schuss Horror hat der Mathematik- und Physikstudent Lars Albrecht mit seinem Debütroman „Die Dämonenritter“ abgeliefert. Wer dieses Genre mag, kommt auf seine Kosten beim Erstling des Gladbeckers, in dem es einen jungen Soldaten in eine mittelalterliche Parallelwelt voller Monster, Magie und Marotten verschlägt, wo er als „Auserwählter“ so richtig aufräumen soll und muss.

Lars Albrecht


Der Plot ist eher simpel, aber das stört nicht. Locker von der Leber weg und gespickt mit einigen possierlichen Flapsigkeiten erzählt der Jungschriftsteller die vertraut anmutende Geschichte. Das Ganze lässt sich leicht lesen und verfügt über Sprachwitz. Spannung bietet der Stoff trotz seiner Vorgeprägtheit auch, der Autor greift nämlich auf ein probates Mittel zurück: hammerharte Action!

Es wird fröhlich gemetzelt, Köpfe rollen, Knochen splittern, Pfeile fliegen, Schwerter klirren, Rüstungen bersten, Blut fließt reichlich (orangefarbiges vorzugsweise, nämlich das der titelgebenden Dämonenritter, die es auszumerzen gilt). In die Kampfszenen hat Lars Albrecht alles reingelegt. Der Literaturnobelpreis wird wohl an ihm vorbeigehen, nicht aber das Heer der Pulp-Fiction-Enthusiasten.

Titel: Die Dämonenritter
Autor: Lars Albrecht
ISBN 9783869373157
Verlagshaus Schlosser

Auf Tour durch die Frankfurter Buchmesse 2012

Und wie immer gab es einiges zu entdecken.

Nun ist sie vorbei, die Frankfurter Buchmesse, die größte Buchmesse der Welt, aber sie schloss ihre Pforten nur für das Jahr 2012.

Auch wir waren wieder dabei, mit der jährlichen Fahrt, veranstaltet durch eine der größten und zumindest traditionsreichsten Düsseldorfer Buchhandlungen. Wir hatten uns dieses Mal im Vorfeld aus der Vielzahl der Veranstaltungen einige als Anregungen für den Tag herausgesucht. In den Jahren zuvor hatten wir uns meistens treiben lassen, sind oft an Ständen hängen geblieben und in Büchern versunken.

Aber zunächst ließ uns unser Busfahrer zeitlich hängen, weil er sich überhaupt nicht vorbereitet hatte und mindestens eine dreiviertel Stunde damit verbrachte, den Parkplatz für die Busse zu suchen. Christian Berkel, der den neuen Roman von J.K. Rowling „Ein plötzlicher Todesfall” als Hörbuch eingesprochen hat und für 12.00 h am Stand des Hörbuchverlages zur Lesung angekündigt war, war jetzt nicht mehr zu schaffen.

Also direkt ins Forum, das sich traditionell die ARD auf der unteren Ebene und das Gastland auf der oberen Ebene teilen. Neuseeland hatte in diesem Jahr die Ehre, als Gastland eingeladen zu sein. War das auch ein Grund, dass es in diesem Jahr mir irgendwie noch sehr viel voller als z.B. im letzten Jahr erschien?

Auch die Comic-Fans, die jedes Jahr mit ihren fantasiereichen Kostümen ihrer Lieblingsfiguren aus der Welt der Comics und Mangas viel Farbe und Exotik in die Buchmesse bringen, schienen mir überreichlich vertreten. Die Frankfurter Buchmesse ist ja zugleich der größte Ausstellungsort für Comics weltweit und es findet sogar ein sog. „Cosplay” („Costumeplay”)-Wettbewerb statt. Am Sonntag werden dann die besten Kostüme prämiert. Die kostümierten Fans sind ein eigenes, aber friedliches Völkchen, die sich auch nur zu gern fotografieren lassen.

Zurück zum diesjährigen Gastland. Vor dem Pavillon erwartet uns eine Überraschung, nämlich eine lange Warteschlange. Neuseeland präsentiert sich in einer rund 30minütigen Video-Show und da haben nur eine begrenzte Anzahl von Besuchern Platz. Ok, wir stellen uns trotzdem an, immerhin sind zwei von uns schon in Neuseeland gewesen und das andere Ende der Welt hat ja neben der überbordenden Natur auch kulturell einiges zu bieten. Viele der Wartenden sehen auch so aus, als wären sie schon dort gewesen oder wollten ziemlich bald dorthin.

Nach rund 15 Minuten sind wir dann auch schon drin: Ein schwach beleuchteter Raum, durch große Wasserflächen unterteilt, vier große Leinwände, ein heller Mond über der Szenerie. Die Video-Show, die von einem live einsprechendem Maori-Erzähler komplettiert wird, erzählt von den Gründungsmythen der Maori, schlägt Bögen zur gesprochenen und geschriebenen Literatur, zeigt Zeitgenössisches und in kurzen Ausschnitten die Verbundenheit von Literatur und Verfilmungen (die auch hierzulande bekannt sind: „Whale Rider” (nach einem Roman von Witi Ihimaera), „Ein Engel an meiner Tafel” („An Angel at my Table”- nach der Autobiografie von Janet Frame), „Die letzte Kriegerin” („Once were warriors”, einem Roman von Alan Duff).

Was leider ein wenig zu kurz kommt, ist die Visualisierung der Natur, ohne die Neuseeland nach wie vor sicherlich nicht so eine große Anziehungskraft hätte. Ich vermute, dass sich Neuseeland mit dieser Show ein modernes Image geben wollte. Wogegen nichts zu sagen ist, aber die geglückte Darstellung von Verbindung von Natur und Literatur hatte im letzten Jahr das Gastland Island nahezu perfekt vorgemacht.

In einem abgetrennten Bereich des Pavillons präsentiert sich die zeitgenössische neuseeländische Literaturszene. Nalini Singh, eine Fantasy-Autorin, sitzt auf dem Sofa. Offensichtlich hat sie eine breite Fangemeinde. Wie so oft bei Fantasy sehe ich überwiegend Frauen. Da ich zwar auch gerne Vampir-Geschichten lese (aber nicht die weich gespülte Sorte), aber Nalini Singh nicht kenne, gehen wir weiter und verlassen den Pavillon.

Jetzt ist es leider auch zu spät für unseren nächsten gedachten Programmpunkt, nämlich zum Screening von „Rotkäppchen” zu gehen. Die ARD setzt zu Weihnachten ihre Märchen-Reihe fort und zeigt im ARD-Kino schon mal Previews. Aber das ist jetzt nicht ganz so tragisch, denn im Fernsehen kommt der Film auf jeden Fall.

Weiter durchs Gedränge in die Halle 3. In den Hallen 3 + 4 präsentieren sich alle großen deutschen Verlage. Entsprechend voll ist es auch. Eigentlich wollen wir nach oben zu den Reise-Verlagen, bleiben aber beim Stand von Piper hängen. Ein großes Plakat kündigt „The John Lennon Letters”, herausgegeben von Hunter Davies, dem einzig autorisierten Beatles-Biografen, an.

Das passt ja zum diesjährigen 50jähren Jubiläum der „Fab Four”. Nur, wo versteckt sich das Buch hier am Stand? Ich will schon fast aufgegeben, da endlich: Auf der anderen Seite des Ganges liegt ein Ansichtsexemplar. In einer Vitrine daneben ein nummeriertes Exemplar im aufwendigen Schuber. Das kann man gewinnen, wenn man seine Visitenkarte in die Box darunter wirft. Schnell noch ein etwas zerknülltes Exemplar dazu gestopft, vielleicht habe ich Glück.

„The John Lennon Letters” ist ein aufwendig und sehr schön gestaltetes Buch, mit nicht nur vielen Texten im Faksimilie, sondern auch auch Fotos, die so noch nicht zu sehen waren. Ein „Muss” für jeden Fan und auf jeden Fall ein schönes Geburtstagsgeschenk – zum Verschenken oder Schenken lassen.

Weiter durchs Gedränge, für Menschen mit Platzangst nicht zu empfehlen. dtv wirbt mit Jussi Adler Olsen „heute am Stand” (nein danke, ein Krimi von Olsen hat gereicht), bei Ullstein ist Klaus Hoffmann angekündigt, mit seiner Autobiografie „Als wenn es gar nichts währ”. Das Buch liegt aus, allein Klaus Hoffmann ist noch nicht da. Stattdessen lässt sich noch Daniel Brühl mit seinen – weiblichen – Fans ablichten.

Leider können wir nicht auf Klaus Hoffmann warten. Weiter geht es durch die immer noch wachsende Menge, in der wir den Aufgang zur Ebene 3.1 einfach nicht finden wollen. Zurück zum Haupteingang, über den Außenaufgang nach oben. Auf der Außenplattform gibt es warme Getränke und kleines Essen. Ein Cappuccino tut jetzt gut, obwohl die Preise wie immer deftig sind.

Ganz am Ende der Ebene 3.1 sind die Reise-Verlage mit der Travel Gallery versammelt. Ein Stückchen davor stellt der Kunth-Verlag wieder seine wunderschönen Bildbände mit Ländern rund um den Globus aus. Ein neuer Indien-Band liegt aus. Durchgeblättert, einiges wiedererkannt und am Ende möchte ich am liebsten sofort losfahren.

In der Travel Gallery findet eine Dauerwerbeveranstaltung von Hapag Lloyd Kreuzfahrten statt. Ach nein, das ist so ganz und gar nicht unsere Welt. Wir schauen uns noch ein wenig bei den Reiseführern um, dann heißt es, sich aufmachen nach Halle 5. Dort wollen wir endlich mal eine ausgewählte Veranstaltung in Gänze erleben.

Die Hallen 5, 6 und 8 sind den internationalen Verlagen vorbehalten. Dort geht es wesentlich ruhiger zu. In Halle 5 ist der „Weltempfang – Zentrum für Politik, Literatur und Übersetzung” zuhause. Der „Weltempfang” wird gesponsert vom Auswärtigen Amt und bietet auf zwei Flächen – Bühne und Salon – ein umfangreiches Programm zu Literaturen, die nicht in der westlichen Welt zuhause sind und entsprechend weniger wahrgenommen werden.

Programmschwerpunkt ist in diesem Jahr die Subsahara, aber wir als Indien-Fans haben uns die Veranstaltung „Tamil- Die unbekannte indische Literatur” herausgesucht. Erstmals wurde mit „Die Geschichte eines Dorfes am Meer” von Thoppil Mohammed Meeran ein Tamil-Roman direkt ins Deutsche übersetzt. Eine bemerkenswerte Besonderheit, denn wenn indische Literatur den Weg in den deutschen Buchhandel findet, dann in der Regel aus dem Englischen übersetzt.

Der Übersetzer, Torsten Tschacher, im Hauptberuf Dozent für tamilische Sprache und Kultur an der Uni Göttingen, erzählt von den Besonderheiten und Schwierigkeiten der Übersetzung. Dass Tamil, aus der Sprachfamilie der drawidischen Sprachen stammend, sich so grundlegend in seiner Struktur vom Deutschen unterscheidet und dass die im Roman vorherrschende Mischung aus umgangssprachlichem Tamil und hochsprachlichem Tamil eine besondere Herausforderung war.

Tschacher erzählt über den Autor, einem tamilischen Moslem, der sein vorwiegend muslimisches Heimatdorf als Vorbild für diesen Roman nahm. Und er spricht natürlich über die inhaltlichen Besonderheiten des Romans.

Komplettiert wird die Veranstaltung durch zwei Leseproben. Dabei fällt mir wieder auf, dass indische Autoren – unabhängig von der Verschiedenheit der Kulturen und Sprachen – ausgesprochen visuell erzählen. Wie ein Film rollt die Handlung vor meinen Augen ab – man muss sich hier nicht über die Verbindung von Film und Literatur wundern.

Eine kurzweilige Stunde geht mit Fragen aus dem Publikum zuende. Die Buchmesse ist zwar keine Verkaufsmesse, aber Bücher, die live vorgestellt werden, dürfen verkauft werden. Der kleine Draupadi-Verlag als deutscher Verleger freut sich über jedes verkauftes Exemplar. Natürlich kaufen wir auch, allein schon, um solche Projekte zu unterstützen. Und für das nächste Jahr nehmen wir uns vor, mehr Augenmerk auf die Veranstaltungen des „Weltempfang” zu richten. Der Blick über unsere Tellerränder hinaus hat noch niemandem geschadet.

Eine Pause für uns noch, aber um 16.30 h hat sich Martina Gedeck bei der ARD angekündigt. Sie stellt dort zusammen mit Regisseur Julian Pölsler ihren neuesten Film „Die Wand” nach dem Roman von Marlen Haushofer vor. Es ist brechend voll, aber wir können das Gespräch auf der Treppe mitverfolgen. Martina Gedeck – eine der profiliertesten deutschen Schauspielerinnen – ist völlig unprätentiös und unkompliziert und sieht hervorragend aus. Es ist eine kurzweilige halbe Stunde.

Der Regisseur erzählt von seinen Schwierigkeiten, den Film zu finanzieren. Zeitweilig ist er Taxi gefahren, um weiter drehen zu können. Niemand wollte an das Thema ran, obwohl Haushofers Roman mittlerweile als Klassiker gilt.

Frau Gedeck signiert im Anschluss an das Gespräch. Natürlich sind auch wieder die üblichen Autogramm-Jäger dabei. Wir schieben uns kontinuierlich nach vorne, ich lege mein frisch erworbenes Buch vor. Auch von ganz nahem wirkt Martina Gedeck völlig natürlich. Sie freut sich sichtlich, als ich ihr nochmal sage, dass ich sie für eine der derzeit besten deutschen Schauspielerinnen halte. Zustimmendes Gemurmel von den Umstehenden.

Und damit wird es Zeit, sich langsam zum Bus aufzumachen. Noch ein schnelles Bier zum Abspannen, dann fertig machen zur Abfahrt. Diesmal findet der Busfahrer direkt den Weg zur Autobahn. Nach gut zweieinhalb Stunden sind wir wieder in Düsseldorf – und für uns steht schon längst fest : Im nächsten Jahr sind wir wieder dabei – bei der Frankfurter Buchmesse 2013.

© frida 2012

Fotos: frida

Eine Lesung für den Tierschutz bei Dogi Dog in Gladbeck

Tierschutzlesung


Es wird so langsam Tradition: Gesponsert von Fressnapf Gladbeck in Person von Filialleiter Marco Bohnenkamp und ausgerichtet von Ulrike Olbergs Hundetagesstätte Dogi Dog, findet alljährlich eine Lesung für den Tierschutz statt.
Bei der zweiten Auflage dieses Gladbecker Charity-Events, dessen Erlöse komplett an Organisationen geht, die sich für das Wohl von Tieren einsetzen, ist eine wirklich hochkarätige Künstlerriege am Start. Die populäre Kabarettistin und Autorin Jutta Wilbertz aus Köln, die Literaturpreissammlerin Regina Schleheck aus Leverkusen und Schriftstellertalent Andrea Heinrich aus Grevenbroich stellen am Samstag, den 6. Oktober an diesem passenden Ort vielfältige Storys mit „animalischen“ Hauptfiguren vor und sind sich nicht zu schade, für Spenden zu werben.

Jutta Wilbertz


Regina Schleheck


Andrea Heinrich


Für die musikalische Untermalung sorgt Singer-Songwriter Hubertus Frank Rösch, auch bekannt als Schauspieler aus der ARD-Fernsehserie „Marienhof“, der wie die Autorinnen dankenswerterweise für den guten Zweck auf eine Gage verzichtet.

Hubertus Rösch


Tierfreunde finden sich bitte am Samstag, den 6. Oktober ab 15:00 Uhr in der Dogi Dog Hundetagesstätte auf der Hornstraße 7 ein. Es wird nicht gebissen, sondern vielmehr Kuchen, Kaffee und Limonade gereicht. Aus organisatorischen Gründen (bezüglich der Kontrolle von Impfung/Entwurmung) ist das Mitbringen von Haustieren nicht gestattet. Der Eintritt ist frei, um Spenden für den Tierschutz wird indes gebeten.

Was: Lesung für den Tierschutz
Wer: Jutta Wilbertz, Regina Schleheck, Andrea Heinrich; Hubertus Frank Rösch (musikalische Untermalung)
Wo: Dogi Dog Hundetagestätte, Hornstraße 7, 45964 Gladbeck
Wann: Samstag, den 6. Oktober ab 15:00 Uhr
Wie viel: Eintritt frei, um Spenden für den Tierschutz wird gebeten.

Dresden – (Nur) Ein Tagesausflug

Frauenkirche - Teilaußenansicht mit Lutherdenkmal

Dresden, auch genannt „Elbflorenz”, Hauptstadt des Freistaates Sachsen, als barockes Kleinod erblüht unter Friedrich August dem Ersten, besser bekannt als „August der Starke”, in Schutt und Asche gelegt in zwei Bombennächten vom 13.02. bis 15.02.1945, teilweise restauriert während der DDR-Zeit und auch nicht verschont geblieben vom Jahrhunderthochwasser 2002, zieht ungebrochen den Besucher in seinen Bann.

Vom oberfränkischen Bad Steben – in dem ich mich zur Zeit in einer Reha-Maßnahme aufhalte – sind es nur rund 2 Stunden Busfahrt nach Dresden. Und da an Sonntagen in der Regel keine Anwendungen stattfinden und diese daher schon einmal sehr lang werden können, entschloss ich mich kurzerhand, an der Tagesfahrt nach Dresden teilzunehmen.

Für 25,00 Euro bekommt man nicht nur die reine Fahrt, sondern auch noch eine Stadtrundfahrt und einen kleinen Stadtrundgang mit einem Stadtführer, in unserem Fall einer Stadtführerin. Gegen 9.00 Uhr geht es in Bad Steben los, gegen 11.00 Uhr erreichen wir Dresden.

An der VW Manufaktur – einer Autofabrik aus Glas und Stahl, in der Roboter statt Menschen den „Phaeton”, das 100.000 Euro teure Luxusmodell von VW, zusammenbauen, vorbei durch Außenbezirke trudeln wir an der Semperoper ein, wo unsere Stadtführerin Diana zusteigen wird.

Auf der Fahrt hatte uns der Busfahrer schon verraten, dass Dresden aufgrund der Aberkennung des UNESCO-Weltkulturerbe-Titels für das Dresdner Elbtal eine rund 6stellige Summe im Jahr verliert und es daher an Geld fehlt, z.B. die durch Verschmutzung ständig nachdunkelnden Gebäude – aus Sandstein gebaut – zu reinigen. Sie müssten regelmässig sandgestrahlt werden, aber das ist sehr teuer.

Die Semperoper sieht entsprechend schon fast schwarz aus. Überhaupt ist das Gebäude zumindest von außen und für meinen Geschmack nicht so imposant, wie man gemeinhin annimmt. Man kann die Semperoper gegen Eintritt auch besichtigen, allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht, da ein Konzert gegeben wird.

Man muss die Semperoper natürlich ganzheitlich als Teil des städtebaulichen Ensembles rund um den Theaterplatz zusammen mit Zwinger und der katholischen Hofkirche sehen. Dann passt auch alles wie Puzzlesteinchen ineinander.

Wir fahren im Halbrund an der Semperoper vorbei, werfen vom Bus aus einen schnellen Blick in den Zwinger und bewegen uns am Rand der Dresdner Altstadt mit ihrer Vielzahl historischer Bauten vorbei in Richtung Dresdner Neustadt, die auf der anderen Seite der Elbe liegt.

Vorher passiert der Bus einen ausgedehnten Grüngürtel, zu Zeiten August des Starken dessen Privatgarten, die Alleen schnurgerade gezogen, gemacht für prächtige Reiter und zum langsamen Wandeln der „hohen Herrschaften”. Erst Napoléon ließ die Mauer um diese Gärten niederreißen und den ganzen Komplex für das Volk öffnen. Heute ist dieser Grüngürtel die grüne Lunge der Stadt.

Bevor wir die Elbe queren, durchfahren wir den Stadtteil Blasewitz, der von der Bombardierung verschont geblieben war. Hier reiht sich Villa an Villa, wunderschön restauriert mittlerweile, für den Normalverdiener sicherlich unbezahlbar. In früherer Zeit waren das Mehrfamilienhäuser, in denen auch Geringverdiener wohnen konnten.

Die Elbe fließt relativ sanft dahin, die Elbwiesen sind gut frequentiert. Dass eine überaus hässliche Brücke – die noch nicht fertiggestellt ist – bald dieses besondere Ensemble der Elbauen zerstören wird, ist eine kaum zu verstehende städtebauliche Sünde. Die Aberkennung des UNESCO-Weltkulturerbe-Titels wird verständlich, wenn man es selbst mit eigenen Augen sieht. Hier hat sich eindeutig die Lobby der Autofahrer durchgesetzt.

Wir durchfahren die Stadtteile Tolkewitz, ein Stadtteil, in dem sich vor allem Künstler angesiedelt haben und der wie Blasewitz zu den Villenvierteln Dresden gehört, und Loschwitz, in dem es eine Bergschwebebahn gibt. Wer jetzt an Wuppertal denkt, liegt nicht ganz so falsch, denn beide Bahnen wurden vom gleichen Konstrukteur gebaut.

Am anderen Ufer der Elbe wird übrigens auch Wein angebaut. Nicht in großen Mengen natürlich, aber offensichtlich genug für Weinfreunde, die einen trockenen Weißwein mögen.

Es geht zurück über die Elbe in die Altstadt. Der Bus entlässt uns an der Frauenkirche, hier beginnt der Stadtrundgang. Die Frauenkirche also, sicherlich eine berühmtesten evangelischen Kirchen Deutschlands. Während der Bombardierung fast völlig zerstört, in der DDR die Ruine als Mahnmal belassen, mit Spendenmitteln von 1994 bis 2005 wieder aufgebaut. Die Frauenkirche wird so stark frequentiert, dass es für touristische Besucher nur schmale Zeitfenster gibt. Aber (wie immer, wie uns der Busfahrer verrät) Diana schafft es, uns noch vor der Schließung reinzulotsen.

Innen präsentiert sich die Frauenkirche als protestantisch unüblicher barocker Prachtbau. Wüsste man nicht, dass diese Kirche evangelisch ist, könnte man sich auch in einer katholischen wähnen. Es herrscht dichtes Gedränge, Details zu erkunden ist nicht möglich. Mir ist es hier zu voll. Wer an diesem Ort Spiritualität sucht, ist hier fehl am Platz.

Vor der Frauenkirche nimmt Luther seinen Platz ein, ihm gegenüber Friedrich Schiller, der zwei Jahre in Dresden verbrachte und dort „Don Carlos” schrieb. Um die Frauenkirche herum stehen eine Vielzahl von historischen Bauten, deren Namen ich mir in der Schnelle kaum merken kann. Was mir auch hier und in anderen Straßen auffällt, ist, dass das Erdgeschoss dieser schönen Bauten und auch Bürgerhäusern, soweit sie nicht Museen sind oder öffentliche Verwaltung beherbergen, von den hochpreisigen globalen Einkaufsketten dieser Welt besetzt wird. Mindestens drei Palais sind von Hotelketten ab 5 Sterne aufwärts okkupiert. So wird erhaltenswerter öffentlicher Raum an Investoren verschachert.

Ein DDR-Relikt, das „Haus der Kultur”, dem inzwischen dahin geschiedenen „Palast der Republik” nicht unähnlich, steht auch noch. Dem „Haus der Kultur” ist jedoch kein Schicksal wie dem „Palast der Republik” beschieden, denn es steht unter Denkmalschutz und wird renoviert. So wie auch noch viele Plattenbauten, die zum Teil sehr schön renoviert wurden, in der Stadt stehen. Wo sollen die Menschen auch alle wohnen?

Durch enge Straßen geht es weiter zur Neuen Stallwache und weiter zum kleinen Schlossplatz. In nahezu jedem dieser Gebäude ist irgendwo ein Museum oder eine Sammlung versteckt. Wer nur Dresdner Museen besuchen möchte, benötigt sicherlich mehrere Tage, um alle „abzuarbeiten”. Ich verliere langsam den Überblick und ein wenig die Orientierung.

Dann ist unser Rundgang plötzlich vorbei und den Zwinger haben wir ganz links liegen gelassen. Ausgerechnet den, an den ich mich vage erinnern kann, hatte ich doch im Vorwendesommer 1989 mit Verwandten das Vergnügen, einen Kurztrip nach Dresden zu machen, bei dem wir hauptsächlich den Zwinger besucht haben.

Aber wir haben noch rund zwei Stunden freie Zeit und nach einer Stärkung in einer der „Fressgassen” in der Nähe des Elbufers möchte ich unbedingt noch den Zwinger besuchen. Der Dresdner Zwinger, ab 1709 gebaut, direkt gegenüber der Semperoper gelegen, ist nicht so ganz Fisch oder Fleisch – soll heißen, man sieht, dass er ursprünglich als Schloss geplant war, aber tatsächlich nie als solches fertiggestellt wurde.

Dennoch macht meines Erachtens genau dieses Unfertige den Reiz dieser Anlage mit seinen Pavillons, Wasserspielen und umlaufenden Gärten aus. Im Zwinger herrscht eine seltsam anmutige zwischen Barock und Rokoko chargierende Atmosphäre. Man meint, dass jede Minute irgendein Zeitgenosse aus jenem Jahrhundert um die Ecke biegt.

Darüber hinaus beherbergt der Zwinger die Gemäldesammlung Alter Meister, den Mathematisch-Physikalischen Salon, die Porzellansammlung und die Rüstkammer. Also sollte man auch hier bei einem ausgedehnteren Dresden-Besuch entsprechend Zeit einplanen.

Aber unsere Zeit in Dresden läuft nun endgültig ab. Der Bus holt uns pünktlich ab und nach zwei Stunden treffen wir wieder wohlbehalten in Bad Steben ein. Als Fazit bleibt, dass Dresden nicht nur eine Tagesreise wert ist, sondern viel mehr Zeit benötigt wird, um das Flair des „Elbflorenz” umfassend einzufangen.

Wer mehr Fotos dazu sehen möchte, geht auf diesen Link:

tinyurl.com/cv2kac2

Kleine Anmerkung: Die Fotos wurden dieses Mal mit dem Handy gemacht und sind daher von der Qualität nur durchschnittlich.

© frida 2012

Fotos: frida

Weiter als gestern

Andrea Heinrich: „Weiter als gestern“ – eine Buchrezension von Harry Michael Liedtke

Na prächtig: Diesmal kann ich in Sachen Lob so richtig vom Leder ziehen, ohne dass mir jemand unterstellen kann, ich würde schnöde Kommerzreklame betreiben.

Das Buch, um das es in dieser Rezension geht, gibt es nämlich nicht zu kaufen. Zumindest nicht auf normalem Weg. Die Autorin Andrea Heinrich veröffentlicht ihre Werke in Eigenregie, lässt sie in kleiner Auflage drucken und verschenkt sie an gute Freunde. Ich bin gebauchpinselt, zu diesem Kreis der Auserwählten zu zählen.
„Weiter als gestern“ ist eine Mischung aus Lyrik und Kurzprosa. Um die Texte zu begutachten, hätte ich das Buch eigentlich nicht gebraucht. Das Allermeiste kannte ich bereits. Andrea Heinrich ist Betreiberin eines kleinen, aber feinen Internet-Schreibforums namens „Netzkritzler“, dem ich schon länger angehöre. Dort sind viele der Gedichte und Kurzgeschichten der Öffentlichkeit zugänglich.

Aber klar, da wird mir wohl kein Schriftsteller widersprechen, das Gefühl, ein „richtiges“ Buch aus Papierfleisch und Druckerschwärzeblut in der Hand zu haben, ist irgendwie unverzichtbar.

Die in Grevenbroich beheimatete Andrea Heinrich hat nach eigenen Angaben anno 2005 ihre Liebe zum Schreiben wiederentdeckt. Ein Glück!
Ihre Gedichte und Kurzgeschichten sind außerordentlich sensitiv, dabei aber prägnant. Andrea Heinrichs Sprache mutet nüchtern an, zu Schwafeleien neigt die Autorin nicht. Obwohl die Geschichten und Verse sehr emotional und nicht selten melancholisch ausfallen, sind sie durch klare Aussagen geprägt. Selbst wenn sich die Autorin in die allegoriebewucherten Gefilde der Fantasy oder der Märchen begibt, verfällt sie nicht in Verspieltheit oder Schwulst.

Fast immer sind die Texte persönlich, häufig drehen sie sich um Liebe und Beziehungsprobleme. Auch soziale Themen greift die Verwaltungsfrau und Familienmanagerin gern auf. Andrea Heinrich legt durchaus den Finger in die Wunde, aber nicht um zu piesacken, sondern um Wund- und Heilsalbe aufzutragen.

Wer sich von der Richtigkeit dieser Aussagen überzeugen möchte, mag bei Netzkritzler stöbern. Zu entdecken gibt es dort reichlich. Wer das Buch unbedingt haben möchte, mag bei der Autorin sein Glück versuchen oder es bei BOD käuflich erwerben. Mich kann man auch gern ansprechen, ich leite etwaige Anfragen gern weiter. Vielleicht lässt sich was machen.

„Clare, was ist das Leben?“, fragte Colin.
Clare dachte nach. Dann sagte sie:
„Leben ist, wenn ich weiß:
Ich bin heute weiter als gestern.“

Weiter als gestern
Andrea Heinrich (Autorin)
Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
http://www.bod.de/index.php?id=1132&objk_id=642156

***

Anmerkung der Autorin: Harry, lieben Dank für die Rezension 😀