Zurück zu den Wurzeln
Ich habe mir heute einen Traktor gekauft. Einen roten McCormick, so einen wie den, auf dem ich mit 10 Jahren das Traktorfahren lernen durfte, kaum dass meine Beine lang genug waren, um Bremse und Gaspedal sicher bedienen zu können. Er hat nur 5000 gekostet und ich war sofort hin und weg, als ich ihn sah. Ich brauche ihn eigentlich noch nicht wirklich, aber so langsam wird es zu anstrengend, mein Land mühsam Feld für Feld in Handarbeit zu bewirtschaften. Und da ich gerade eine gute Ernte eingefahren und etwas Geld übrig hatte, kam ich an dem Trecker nicht vorbei.
Der steht nun auf meinem zitronenbaumgesäumten Hof und wartet auf seinen ersten Einsatz. Jetzt muss ich nur noch das logistische Problem bedenken, dass ich nun auch Diesel brauche. Aber das kriege ich schon irgendwie auf die Reihe, schließlich fließt Bauernblut in meinen Adern und da ist Diesel für den Traktor das geringste Problem.
Ich wollte ja als Jugendliche unbedingt Bäuerin werden. In meiner Familie ist es bis heute ein running gag, dass mein Onkel verzweifelt versuchte, für mich den passenden Jungbauern zu finden, der einen Hof mit in die Ehe einbringen sollte. Sogar in der Hochzeitszeitung meiner Cousine hatte er inseriert, aber das Vorhaben scheiterte seinerzeit kläglich. Und da auch mein Cousin, heute erfolgreicher Großlandwirt und zu Kinderzeiten mein erklärter Heiratskandidat, kein Interesse an mir bekundete, musste ich letztendlich statt der Bauern- die Beamtenlaufbahn einschlagen. Das hindert mich aber nicht daran, nebenbei eine erfolgreiche Hofmanagerin zu sein.
Wobei – erfolgreich ist relativ. Am vergangenen Montag musste ich nicht unerhebliche Einbußen verkraften. Am Sonntagabend hatte ich die Hälfte der Reisernte eingefahren und noch 2 Stunden Zeit, bis der restliche Reis reif sein würde, als ich eine anderweitige Einladung bekam. Am Ort der Session hielt ich mich zwei Stunden lang auf, hatte bei meiner Rückkehr den Reis vergessen und schrak am frühen Montagmorgen mit der Erkenntnis aus dem Schlaf, dass der Reis nun wahrscheinlich vergammelt sei. Nachsehen war nicht drin, mich riefen anderweitige Verpflichtungen, und so sah ich die Bescherung erst am Montagabend: Der ganze Reis war vertrocknet, der Gewinn entgangen.
Am Dienstagmorgen betrat ich tränenüberströmt und mit den Worten „Mein Reis ist vergammelt“ das Büro. Kollegin 1 verdrehte die Augen, während mich Kollegin 2 mitfühlend in den Arm nahm und mir ein Taschentuch nach dem anderen reichte, bis ich mich nach 3 Stunden endlich beruhigt hatte.
Die folgenden drei Tage waren vom Wiederaufbau geprägt. Ich rekultivierte Feld für Feld, kratzte vom letzten Geld Saatgut zusammen, reinvestierte Erträge ausschließlich in den Kauf neuen Saatgutes und bat benachbarte Landwirte um Hilfe. Am Donnerstag konnte ich die ertragreichste Frucht erwerben und nach drei Ernten davon stehe ich heute mit einem Traktor da. Hach, das Leben ist schön!
Ich habe auch schon ein Pferd, eine Kuh, zwei Schafe, zwei Hühner, einen Hühnerstall und sogar einen Brunnen. In 7 Stunden und 30 Minuten ist die nächste Ernte dran (ich habe mir den Wecker gestellt und werde sie nicht verpassen!). Wenn ich so weitermache, kann ich mir bald auch ein Bauernhaus kaufen und alles ganz hübsch machen, noch hübscher, als es meine Nachbarin hat.
Als ich meinem Mann heute von meinen Fortschritten erzählte, sagte er was von Bauern-Tamagotchi. Wie, Bauern-Tamagotchi? Mit solchen Diffamierungen soll er sich mal nicht bei Facebook sehen lassen, wo niemand derart herabwürdigend über die Landwirtschaft redet. Bauer zu sein ist dort gesellschaftsfähig geworden, und mehr als das. Wer keine Farm hat, kann nicht mitreden. Wer keine Farm hat, hat auch keine Ahnung von Management, weiß nicht, was es bedeutet, Geschäfte zu machen und sich zu kümmern. Heute kann nur jemand was werden in der Welt, wenn er sich zuvor in der Landwirtschaft bewährt hat. Wirtschaften, Netzwerke bilden, Teamwork, Verlässlichkeit – all das wird heute nicht mehr vorrangig im realen Leben, sondern virtuell vermittelt. So ganz nebenbei, während ich mit meinem Traktor über meine Felder tuckere. Da sage noch einer, im Netz könne man nichts für’s Leben lernen.
Hulemule
22. Mai 2010
🙂 bauerntamagotchi find ich gut – und auch richtig irgendwie 🙂
ich wünsch dir natürlich trotzdem eine gute ernte und allzeit gute fahrt mit dem traktor
Mumpitz
24. Mai 2010
Sieben fette Jahre wünsch ich dir! Im Geschäftsleben geht es aber auch ruhig mal ein bisschen unfair zu… du könntest den anderen Agrarökonomen doch einen schönen Platzregen schicken, der das ganze Korn umlegt, hähä…