Des Autors Leid
Nichts anderes schreibt man doch um sich herum als das, was man als Leben sieht, als Wachsen und Werden und Sterben. Schreibt über seine Zweifel an Gerechtigkeit auf der Welt, über Beobachtetes wie Erlebtes und Erduldetes. Also schreibe ich. Wird es dadurch haltbarer, das Unrecht was ich sehe und nicht ändern kann? Soll es verschwinden als seien die Worte es, die es zum Verschwinden bringen, hat damit der Autor sein Lebenswerk vollendet? Nichts ist von Allem. Worte, die geschrieben sind unterscheiden sich nur durch die Druckerschwärze von denen, die im Kopf sind. Aus diesem aber können sie entweichen, vergessen werden. Das Papier hält sie fest wie eine Amme das Baby, das noch nicht selbst für sich sorgen kann.
Das Triviale, spricht es in mir, das nimmst du dir und bringst es zu Papier. Damit fängt das Drama an. Wen bitte interessiert ein Spatz, der am frühen Morgen in einem bereits geöffneten Cafe´ einen Brotrest findet? Niemand. Wenn aber dieser Spatz noch mit dem Brocken im Schnabel kurz darauf von einem LKW erfasst wird, und das Bild nicht zum Baguette und der frischen Marmelade passt, gibt es etwas zum Nachdenken. Das rettet nicht sein Leben, höchstenfalls macht es betroffen. Passiert das selbe Geschick einem Elefanten, gibt es die Schlagzeile des Tages. Der Fall ist abhängig von der Größe der Beteiligten, vom Ort des Geschehens, vom Schicksal der Beteiligten und von der Schuld, die anscheinend immer einer tragen muss. Egal, ob es Beide waren, oder der LKW Fahrer, der den Elefanten einfach übersehen hatte. Was treibt der sich auch morgens um die Zeit auf der Straße herum?
Eine Zeitung funktioniert in der Art. Es kommt auf die Überschrift an. Schreibe ich einen Roman, kommt es auf die Überschrift an. Je geringer die Seiten, desto wichtiger sind die Überschriften. Ein fett gedrucktes ELEFANTENTOD in Wuppertal auf nur 4 Seiten Boulevardpresse steigert den Verkauf. Ich beschließe aufgrund dieser Erkenntnisse einen Roman zu schreiben, der mehr Seiten umfasst, dennoch an den Titel denkt. Denn Beide, Roman und Zeitung wollen verkauft sein. Wer erst einmal die Memoiren eines 18 jährigen Fußballspielers gekauft hat, hat schon gewonnen. Nicht Geld, das muss er ja hergeben, an Erfahrung versteht sich. Und dass er es sich hätte denken können, dass da nur Müll raus kommt in dem Alter.
Das Beste, was einem als Autor passieren kann, ist der Verriss durch einen, der es wissen muss. Nun muss man aber einen Reich Ranitzky erst einmal dazu bringen deinen Roman zu lesen, wo er doch noch soviel anderes lesen muss, was er verreißen soll. Man muss ihn ködern. Als Kritiker wie er bist du besser dran. Brauchst dir keine Gedanken über den Titel zu machen, nimmst das Buch und wirfst es nach dem Lesen ins Feuer. Oder bei der Lesung stehst du mitten im Vortrag auf, wirfst einen bösen Blick in Richtung Rednerpult mit der Lampe und dem Glas Wasser und schlägst die Tür hörbar zu.
Das Schlechteste, was einem Autor passieren kann ist unverdienter Erfolg. Eine Frau, stellen sie sich das Wort bitte fett gedruckt vor, eine Frau also erdreistet sich über eine Frau zu schreiben. Dieses in einer derart intimen Art, dass es die Schamlippenröte durch die Hose treibt. Nur auf den ersten 20 Seiten, dann kann sie schreiben was sie will. Hätte sie einen Roman von nur 20 Seiten verfasst, er wäre nicht mal in den Druck gekommen. Es kommt also auf eine Menge Füllstoff an, die dermaßen geschickt um die Hauptsauerei von Feuchtgebietschoßgebeten garniert werden muss, dass es niemand merkt, was für ein Schwachsinn zum Kauf anregt.
aletheia
11. Okt 2011
Mich!
Mich interessieren Spatzen mehr als die Schmalippenröte.
🙂
Ich hab grad ein Lächeln im Gesicht.
🙂
Viele Grüße an dich!
Songline
11. Okt 2011
Ich lese lieber die Geschichte von dem lebenden Spatz als schwachsinnige Gebete. Und so warte ich nach der äußerst vergnüglichen Lektüre dieses Textes auf die Spatzenstory 🙂
Schön, dich hier zu lesen!
enja
12. Okt 2011
Du bringst es auf den Punkt. Und so schreiben wir weiter – keine Sauereien mit Füllstoff, keine Memoiren aus dem Kindergarten – sondern beobachten, erdulden und halten auf Papier fest, egal ob Elefant oder Spatz. Wir feilen an unseren Fähigkeiten,ärgern uns über Stümper und noch mehr über die begeisterte Leserschaft eben dieser.
Gut Ding braucht manchmal Weile 🙂
Gekka
12. Okt 2011
Mich interessert auch der Spatz eher – also lese ich. Hab aber auch jene 20 Seiten versucht zu lesen. Und hab es aufgegeben.
Man(n) muss sich üerlegen, warum man schreibt…für sich? für den Erfolg, für die Kommentare?
Vielleicht aber auch für eine kleine Leserschaft..
Grüße
Gekka
Mumpitz
12. Okt 2011
Hui, das klingt aber einigermaßen frustriert! Ich denke, mit einer Motivation des Schreibens um des Schreibens willen ist der Autor auf den Verkauf nicht angewiesen. Wenn er Glück hat – und eine Chance bekommt – lesen es andere gern. Wenn nicht, schreibt er dennoch.
Max Pesie
5. Nov 2011
Genau so ist es. Aber was wäre wohl ein Autor wert, der das Leid, zumindest mal das eigene, nich kennt?