Dietmar Ostwald: „Von Engeln, Drachen und mutigen Kindern“ – eine Rezension

Von Engeln, Drachen und mutigen Kindern (Cover)


Entdeckerliteratur für jung und alt
Der Titel verrät es. „Von Engeln, Drachen und mutigen Kindern“ ist ein Kinderbuch. Aber keines von der Sorte 08/15. Es ist empfohlen für Kinder ab 5 Jahren, aber auch Erwachsene von 18 bis steinalt werden sich bei der Lektüre unterhalten fühlen. Man kann in den einzelnen Geschichten viel entdecken, sei es die Welt, die menschliche Natur, Gott oder schlicht sich selbst.

Dietmar Ostwald


Der Verfasser hat viel mitgemacht in seinem Leben. Um etwa den Schikanen der Stasi und dem diktatorischen DDR-Staat zu entfliehen zu entfliehen, flüchtete Dietmar Ostwald dereinst in den Westen, wo er sich regelrecht durchbeißen musste. Wenn sich ein Schriftsteller wie er den Kindern zuwendet, ist es geradezu zwangsläufig, dass seinen Storys eine Botschaft inneliegt. Dietmar Ostwald hat eben etwas zu sagen, etwas mitzuteilen. Aber seine Message verbreitet er nicht auf moralistische, belehrende oder pathetische Art und Weise, sondern vielmehr mit Bedacht, Herzenswärme und leiser Ironie. Man merkt, die Liebe zu den Menschen ist ihm nicht verloren gegangen.

Die Geschichten künden von Freiheit, Kampfgeist, Gerechtigkeit, der Lust am Lernen, Mitgefühl und Gemeinschaftssinn. Der Autor beweist viel Fantasie, erzählt sehr einfühlsam und lässt den Humor nicht zu kurz kommen. Ob schillernde Fabelwesen, fiese Mitschüler, kauzige Erwachsene und wagemutige Kids, Dietmar Ostwalds Repertoire an interessanten Figuren ist enorm.

Überdies hält das Buch ein besonderes Gimmick bereit: Es ist mit dem Internet gekoppelt, alle Malvorlagen kann man in Din A4 beliebig oft zur dauerhaften, praktischen Verwendung auf der Webseite des Verlags direkt herunterladen und somit zum eigenen Gebrauch ausdrucken.

Titel: Von Engeln, Drachen und mutigen Kindern
Autor: Dietmar Ostwald
Verlag: Edition Paashaas Verlag (EPV)
ISBN: 978-3942614542

Werke eines großen Meisters – eine Rezension

Wenn ein Autor sein Buch kess „Werke eines großen Meisters“ nennt, verspürt man als rezensionsfreudiger Leser unwillkürlich den Drang, dem Herrn Schriftsteller einen Verriss aufs Auge zu drücken. Einfach nur, um ihn wieder runterzuholen aus dem Wolkenkuckucksheim.

Bernd Badura

Werke eines großen Meisters (Cover)


Doch bei Bernd B. Badura sind solche deckelnden Befindlichkeiten fehl am Platz. Der junge Autor aus Oberhausen hat ein wundervolles Buch geschrieben. Moderne Märchen, garniert mit humorig-hintersinniger Lyrik. Der „Tintenkleckser“, wie sich Bernd Badura selbst nennt, beweist ungeheuer viel Fantasie, die Geschichten sind ebenso spannend wie amüsant.
Da streiken die sich unverstanden fühlenden Jahreszeiten, schlittert das personifizierte Böse in eine Sinnkrise, lernt eine pfiffige junge Hexe ihre Lektionen, kommt es zu einer im wahrsten Sinne des Wortes „haarigen“ Käferplage …
Zusammengehalten werden die Märchen von einer Rahmenhandlung um einen etwas spleenigen Archivar aus dem Reich des Traumlandes, der in die harte Wirklichkeit geschickt wird, um die recht nüchtern gewordenen Menschen wieder zum Träumen anzuregen. Ob ihm dies gelingt? Ein Buch, welches er im Gepäck hat, ist der Schlüssel zum Erfolg …
Der dargereichte Stoff ist poetisch, philosophisch, lebhaft, lehrreich, lustig und originell zugleich. Nun ja, einen Fehler hat das Buch. Der (ursprüngliche) Untertitel „Märchen für Erwachsene“ dürfte bei manchem falsche Hoffnungen erwecken. Wer Schweinskram erwartet, wird nämlich bitter enttäuscht. Ansonsten aber ist der Kurzgeschichtenerzählroman wirklich und wahrhaftig das Werk eines großen Meisters!

Titel: Werke eines großen Meisters
Autor: Bernd B. Badura
Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform
ISBN: 978-1483996219

Lapislazuli

alles schon gedacht
alles schon gesagt

wir überprüfen das
einmaleins
schritt für schritt

wo vorstellung nicht ausreicht
malen wir
ein bild

grautöne meidend
farbe stampfend
fallen mahlsteine

aus dem kopf

© Max Pesie

Inspiriert durch den Text kreierte der Karlsruher Künstler Sandro Vadim einen Linolschnitt auf Bütten in einmaliger Auflage von 26 Exemplaren,
wovon aktuell nunmehr noch wenige Objekte vorhanden sind. Alle Abzüge sind nummeriert und signiert. Leider gibt jedoch die Scan-Version des Blattes nicht exakt die Farbbrillanz wieder.
Ebenso kann die Scan-Version nicht die natürlichen Abweichungen des Schriftbildes darstellen, da jedes Blatt von mir jeweils neu beschrieben wurde.
Maße ungerahmt: 37 x 27 cm / B x H

Die Größen- und Distanzverhältnisse sind bei der Scan-Version nicht exakt wiedergegeben, da das Blatt zweimal gescannt und dann die einzelnen Scans zusammengesetzt wurden.
Preis pro Stück 60,– Euro, zuzüglich Verpackung und Porto.
Angemerkt sei überdies, dass zu diesem Preis bereits eine namhafte Karlsruher Kunst-Galerie ankaufte.

Freuen würde ich mich natürlich auch über Interesse in diesem Portal.
Anfragen ggf. bitte über den Service von Netzkritzler
Bildquelle: eigene Scan-Version

Link zur Vita von Sandro Vadim:
http://www.bbk-karlsruhe.de/bbk_seiten/kuenstler-wp.php?kunr=98&kuname=Vadim&kuvorname=Sandro

Wahlkampfgetöse

Ich mach jetzt auch mal ein bisschen Wahlkampf. Warum auch nicht, immerhin bin ich am Sonntag Wahlhelfer. Wer mich kennt, der weiß, dass ich verhältnismäßig neutral bin und keine wirkliche Ideologie vertrete. Gar nicht so leicht, da zu einer Entscheidung zu gelangen, und weil meine geschätzte schrullige Anarchistische Pogo Partei mal wieder nicht zugelassen wurde, muss ich echt grübeln.

FDP: Okay, ich gebe zu, für so’n Einzelkämpfer und freiheitsliebenden Sichdurchslebenschläger ist der Grundgedanke der Liberalen durchaus reizvoll. Aber dieser verwirrte alte Mann, denn man da als Spitzenkandidat geparkt hat … Oh Jesus, no way!

CDU: Ich gebe es zu, ich gehöre zu denen, die Mutti nicht mögen. Auch möchte ich nicht ewig von und aus Bayern regiert werden. Die personifizierte Schlaftablette tötet mir den letzten Nerv, die bajuwarische „Wir-sind-die-Besten-und-ihr-anderen-seid-doof“-Mentalität geht mir auf den Sack.

SPD: Tja, die Sozis machen im Wahlkampf mal wieder alles falsch, was man falsch machen kann. Das geht schon bei den Wahlkampfslogans los. Oh Gott! Die SPD schafft es, mit nur drei Worten eine an sich klare Aussage zu verumständlichen. Wie soll man Politikern vertrauen, die nicht mal Wahlkampf können?

Die Grünen: Siehe SPD! Na ja, ganz so schlimm ist es nicht. Aber ein guter Wahlkampf sieht anders aus. Gebremster Schaum diesmal, finde ich. Statt zu treiben, lassen sich die Grünen treiben.

AfD: Besserwisserische Wirtschaftsprofessoren auf dem Ego-Trip! Auhauaha! Geht ja gar nicht! Andererseits, kommen die D-Markt-Fetischisten über die 5-Prozent-Hürde, wird es spannend nach der Wahl. Ein Erfolg der AfD würde einigen anderen weh tun. Reizvoll, irgendwie …

Die Linke: Pfiffiger Wahlkampf! Kein Wunder, Gregor Gysi ist am Start. Dass die Partei bei dem ganzen Kriegsquatsch nicht mitgezogen hat, macht sie mir auch nicht unsympathischer. Zudem hat sie ein bisschen Pep ins System gebracht in den letzten Jahren. Ich finde es geradezu bedauerlich, dass mir diese Partei zu sozialromantisch ist und zu sehr auf staatliche Kontrolle setzt. Bei meinem Hang zur Dekadenz ist Die Linke für mich zwar nicht das Richtige und vice versa, aber wenn sie ein gutes Ergebnis holt, würde mir das den Spaß nicht verderben. Übrigens, kurz vor knapp hab ich für die Partei noch Flyer verteilt. So bin ich halt, selbstlos, tolerant und gut! 😉

Piratenpartei: Hmja, was soll ich sagen? Die Idee vom bargeldlosen Öffentlichen Personennahverkehr halte ich für einen der smartesten politischen Gedanken der letzten Jahre. Wenn so etwas mal durchgesetzt und realisiert werden könnte, wäre das Leben tatsächlich mal ein Stückchen unkomplizierter. Mag sein, dass das Thema nur eine Petitesse ist und es globalgalaktisch viiiiel Wichtigeres gibt, aber so ein kleiner Schritt wäre doch mal ein Anfang hin zum Besseren. Und wenn manche den Veggie Day zum Symbol für den Untergang der Freiheit stilisieren, dann darf ich mich doch wohl auch auf Nebensächlichkeiten kaprizieren. In Australien funktioniert das bargeldlose Modell übrigens, aber in Deutschland müssen wir uns alle als ach so mündige Bürger am Fahrer vorbeiquetschen zur Kontrolle unser Transportbenutzungserlaubnisscheine und umständlich abgezähltes Münzgeld hin und herreichen. Uff!

So, nun, ich denke noch ein bisschen nach und singe mir dabei ein Liedchen: „For I am a pirate king. And it is, it is a glorious thing …“

Neue Rechtslage: Umsatzsteuer für Autorenlesungen

Finanzamt


Hatten wir bei Netzkritzler noch nie: Einen Steuertipp! Wird aber Zeit, zumal sich dieser hier direkt an Autoren richtet: Umsatzsteuer bei Autorenlesungen – neue Rechtslage!

Eine gute Nachricht für Schriftsteller, die das Glück haben, Ihr Buch in einer Autorenlesung vorstellen zu dürfen: Das Finanzgericht Köln hat kürzlich ein Urteil gefällt, welches sich schnellstens rumsprechen muss.

Für eine Autorenlesung sieht das Gesetz nur einen Umsatzsteuersatz von lediglich 7 Prozent vor, und nicht etwa 19 Prozent, wie allgemein angenommen wird.

Juristische Begründung: Bei Autorenlesungen verändert der Autor des Buches regelmäßig seine Stimmlagen und unterbricht die Autorenlesung für Erläuterungen. Aus diesem Grund stufen die Richter des Finanzgerichts Köln die Autorenlesung als „Gattung der Kleinkunst“ ein (FG Köln, Urteil vom 30.8.2012, Az. 12 K 1976/11).
Hinzu kommt, dass bei manchen Lesungen oder Leseshows weitere künstlerische Aspekte wie die musikalische Begleitung die Gesamtveranstaltung mit einer Theateraufführung vergleichbar stellen.

Hier geht es zum Urteil: www.justiz.nrw.de
(und hier zur vollständigen Entscheidung)
Den Artikel ist in aller Ausführlichkeit bei Leuchtfeder.de nachzulesen.

Dust Money

Bilder: Zomkachu Pokebrain

Von Schwebebahnen, Herrenboutiquen und Pillekuchen

Irgendwas mit Wuppertal – eine Rezension

Irgendwas mit Wuppertal (Cover)


Ah, interessant! Was Lokalpatriotismus so alles zu bewirken vermag … In diesem Fall kam ein Buch dabei heraus. Eine Art Reiseführer! Zwei Autorinnen und ein Autor taten sich zusammen und schufen eine humorvolle Hommage an die „Großstadt im Grünen“: Wuppertal. Obwohl nicht alle Mitglieder des Trios im Industrie-, Wirtschafts-, Bildungs- und Kulturzentrum des Bergischen Landes heimisch sind, hat doch ein jedes irgendwie etwas mit diesem Ort zu tun und ist emotional mit ihm verbunden.
„Irgendwas mit Wuppertal“ ist eine Liebeserklärung an die Stadt, die Wert auf die Feststellung legt, dass sie nicht zum Ruhrgebiet gehört. Kurzgeschichten und Anekdoten voller Fantasie und Folklore werden aufgeboten, antike Fundstücke, sprachwissenschaftliche Erwägungen, Gedichte und Sprichworte, Kochrezepte sowie viele Abbildungen und Zeichnungen. Bei ihrem liebevollen Gemeinschaftsprojekt geht das Autorenteam Torsten Buchheit, Anke Höhl-Kayser und Annette Hillringhaus durchaus (selbst-)ironisch zur Sache und nimmt regionale Schrullen und Eigenheiten wonnig auf die Schippe.
Ein aufschlussreiches Werk, nicht bloß für Wuppertaler!

Titel: Irgendwas mit Wuppertal
Autoren: Torsten Buchheit, Anke Höhl-Kayser, Annette Hillringhaus
Verlag: BoD
ISBN: 978-3848259830

Mordsmütter – ein mörderisch unterhaltsamer Leseabend

Zum Internationalen Frauentag veranstaltete die Gleichstellungsstelle der Stadt Grevenbroich am 08.03.2013 einen spannenden Krimiabend. In der gut besuchten Bücherei boten vier AutorInnen (Vor-)Lesestoff vom Feinsten. Mit Kurzgeschichten aus der Anthologie „Mordsmütter“ wurden die Zuhörer bestens unterhalten.

Ulla Lessmann leitete den Abend kurz mit „Weil eine Mutter immer eine Mutter bleibt“ ein und nahm dabei die Aktivitäten rund um den Muttertag aufs Korn.

Bei Kerstin Lange gipfelte ein „Fröhlicher Muttertag!“ in einem Familiendrama.
Der zart besaitete Matheus, von der Mutter vergöttert, vom Vater unverstanden, entdeckt seine Liebe zum Kochen und lernt schnell den Umgang mit Pilzen, Kräutern und Gewürzen. Als sein Bruder Carsten im Rausch bei einem Verkehrsunfall stirbt und Matheus Carstens Zimmer in einen Kräutergarten verwandelt, erleidet sein Vater vor Aufregung einen Herzinfarkt. Vier Monate lang ist er zur Behandlung außer Haus, vier Monate, in denen Mutter und Sohn aufblühen. Und so reift der Plan, sich dauerhaft vom Vater zu befreien. Doch Matheus ist nicht der einzige, der Mordpläne schmiedet …

Was fühlt eine Mutter, deren Sohn starb? Regina Schleheck ließ ihre erzählende Protagonistin in „Kleiner Prinz“ diese Frage beantworten.
Im Urlaub auf Rügen lernt die Mutter von zwei Kindern den alleinerziehenden Sören kennen. Sie vertraut ihm ihre Tochter und ihren Sohn für einen Ausflug an. Sören zieht seine und ihre Kinder an Seilen mit dem Boot durchs Wasser. Als er bemerkt, dass eines fehlt, ist es zu spät: Ihr Sohn Timo wird vier Tage später an Land gespült. Ein Jahr lang träumt sie Nacht für Nacht verschiedene Arten des Ertrinkens. Ein Jahr lang macht sie sich Vorwürfe, dass sie ihren Jungen in Sörens Hand gegeben hat. Dann erhält sie Post von dem Mann, der für Timos Tod verantwortlich ist, und fährt zu einem Wiedersehen nach Rügen. Auf dem Meer, genau dort, wo ihr Sohn starb, kommt es zu einer endgültigen Aussprache …

Harry Michael Liedtke entführte die Zuhörer mit „Mutter Carnage und ihre Kinder“ ins Missouri der 1930er Jahre.
Überaus witzig und gestenreich erzählte er die Geschichte des Farmjungen Theo, der in kindlicher Naivität und Hilfsbereitschaft eine verletzte Frau versorgt. Mit Esel und Leiterwagen transportiert er sie über mehrere Stunden zur nächsten Raststätte, wo sie drei angsteinflößende Männer trifft und mit ihnen davonbraust. Erst als er wieder nach Hause kommt und ihm sein Freund aufgeregt von einem Banküberfall erzählt, wird Theo klar, wem er da zur Flucht verholfen hat …

Ulla Lessmann gelang in „Blockflötenkonzert“ die sehr gute Charakterstudie einer verbissen ehrgeizigen Mutter.
Die alleinerziehende Lisa Schweitzer erwartet den Auftritt ihrer Tochter Fanny Clara beim Weihnachtskonzert. Natürlich ist ihre Achtjährige die einzige, die über musikalisches Talent verfügt, und natürlich ist sie die einzige Mutter, die dieses Talent behutsam und doch systemtisch zu fördern weiß. Immer wieder geht sie in Gedanken durch, wie die Töne geblasen werden müssen, damit sie sauber klingen, immer wieder erinnert sie sich daran, welche Verhaltensregeln sie ihrer Tochter mitgab, damit dieses Konzert der Grundstein für deren weitere musikalische Karriere werden kann, die ihr selbst versagt blieb.
Ein einziges Ereignis könnte das perfekte Spiel ihrer Tochter gefährden, nämlich wenn „er“ kommt, doch das wird nicht passieren, das wird er nicht wagen.
Fanny Clara tritt auf, ihr Spiel verzauber die Zuhörer, bis … Ja, bis sich die Tür öffnet und „er“ durch den Gang nach vorne geht. Als sie ihren Vater erkennt, mutiert Fanny Claras „b“ zu einem Kreischen der Flöte, bevor es erstirbt. Und mit ihm alle Hoffnungen von Lisa Schweitzer.
Nein. Das kann und darf nicht sein – und doch, es ist geschehen. Als Lisa Schweitzer sich um die Zukunft ihrer Tochter betrogen sieht, fasst sie einen folgenschweren Entschluss …

Die vier AutorInnen gestalteten durch ihren lebendigen Vortragsstil einen unterhaltsamen Abend. Sie führten die Zuhörer durch alle Gefühlslagen, ließen sie lachen und bangen und Spannung spüren. Wer die Lesung verpasst hat, kann ihre und weitere Geschichten in „Mordsmütter“ nachlesen

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Ein Frohes Neues Jahr!

Liebe Netzkritzler,

ein neues Jahr
ist ein neuer Anfang,
ein neuer Zauber,
eine Zuversicht,
die nach vorne blickt
und sich aus dem Wissen nährt,
was du erreicht hast,
und dem Ziel,
auf das du zustrebst.

Ich wünsche Euch ein gutes und gesundes Jahr 2013.

Liebe Grüße
Andrea

fridas Filmtipp: „Life of Pi” – „Schiffbruch mit Tiger” von Ang Lee – in 3D

Ein Sturm auf hoher See. Ein großer Frachter geht unter, an Bord ein kompletter Zoo, mitsamt Zoodirektor und dessen Familie. Nur der zweitälteste Sohn überlebt als einziger dieses Unglück, auf einem Boot – zusammen mit einem bengalischen Tiger. Sie treiben über Wochen zusammen auf dem Meer und überleben beide am Ende.

Kann eine solche Geschichte, die weit über die Hälfte des Films ein intimes Kammerspiel ums Überleben auf dem unendlichen Meer ist, die Aufmerksamkeit des Zuschauers knapp über rund 120 Minuten festhalten?

Sie kann. Ang Lee („Sense and Sensibility”, „Brokeback Mountain”, „Gefahr und Begierde”) hat mit der Verfilmung von Yann Martells Bestseller aus dem Jahr 2001 wieder einmal seine Extraklasse unter den zeitgenössischen Regisseuren bewiesen und gleichzeitig, dass er auch mit dem Medium „3D” perfekt umgehen kann.

Der erwachsene Piscine „Pi” Molitor Patel (Irrfan Khan) erzählt einem Schriftsteller (Rafe Spall) seine erstaunliche Geschichte vom Überleben mit einem Tiger im Boot. Pi, benannt nach einem französischen Schwimmbad, wächst als zweiter Sohn des Zoodirektors von Pondicherry – einem kleinen Unionsterritorium an der Malabarküste Südindiens, erst 1954 von den Franzosen an Indien zurückgegeben – auf.

Während der Vater (Adil Hussein) ein Rationalist durch und durch ist, lernt Pi (Suraj Sharma) durch die Mutter (Tabu) sich in den Hinduismus zu vertiefen, eine spirituelle Erfahrung, die er später dann mit Christentum und Islam komplettiert. Pi ist also Hindu, Christ, Muslim zugleich, eine Erfahrung, die ihm später den Glauben an sein Überleben sichern wird.

Aufgrund der unsicheren politischen Lage entscheidet Pis Vater, mit dem gesamten Zoo nach Kanada zu übersiedeln. Wie schon oben beschrieben gerät aber der Frachter in Seenot und geht unter.

Am Anfang teilt sich Pi mit mehreren Tieren das Rettungsboot, einem verletzten Zebra, einem Orang-Utan Weibchen, einer Hyäne, einer Ratte und dem Bengal-Tiger „Richard Parker”. Schnell klärt sich die Lage aber derart, dass von den Tieren nur noch der Tiger übrig bleibt. Richard Parker steht dabei als Sinnbild für die urtümliche Kraft der Natur, in der Pi nichts anderes übrig bleibt, als durch List zu überleben.

In Kritiken wurde geschrieben, dass Pi den Tiger zähmt. Das ist nicht richtig. Der Tiger ist weder zähmbar noch zu bezwingen. Als Pi das verstanden hat, geht er mit dem Tiger – und dieser mit ihm – eine Art Überlebenspakt ein.

Nach Wochen auf dem Meer und einem weiteren schlimmen Sturm, der fast das Ende von beiden bedeutet, erreichen die zwei eine schwimmende Insel, die von Tausenden Erdmännchen bevölkert ist. Ein Paradies bei Tag, aber ein Albtraum bei Nacht. Die Insel ist eine fleischfressende Pflanze, die sich nachts nimmt, was sie tagsüber gibt. Pi muss weiterziehen, um nicht von der Insel gefressen zu werden. Es ist keine Frage, dass er Richard Parker mitnimmt.

Es gibt ein Happy End. Pi erreicht die Küste von Mexiko und wird endlich gefunden. Der Tiger verschwindet im Dschungel, er kehrt in den Schoss der Natur zurück, von wo er einst weggenommen wurde.

Hinter der Phantastik von „Life of Pi” verbirgt sich eine ganze Welt philosophischer Fragestellungen: Die Stellung des Menschen im Universum, die Beziehungen zwischen Mensch und Tier, die Beziehungen zwischen Tier und Tier. Gibt es eine lenkende Hand? Gibt es Gott? Und wenn ja, warum lässt er solche Dinge zu? Auf welcher Bewusstseinsstufe begegnet das „wilde Tier” dem Menschen? Hat es ein Bewusstsein? usw. usf.

Auf dieser Basis ist Indien nicht zufällig der kulturelle Hintergrund für „Life of Pi”. Dieses Land, dessen hinduistischer Götterhimmel mit seinen 3,3 Millionen Göttern auch noch Jesus und Allah mit Leichtigkeit darin unterbringt, ist nach wie vor ein Beispiel par excellence für gelebte Alltags-Spiritualität.

Regisseur Ang Lee findet für diese außergewöhnliche Geschichte ebenso außergewöhnliche Bilder von ungeheurer Sogkraft und einer Magie, die das Herz ergreift und lange nach dem Kinobesuch nachwirkt.

Pi, inmitten eines Schwarms fliegender Fische. Aus einem durch fluoreszierende Quallen nächtlich erleuchtetem Meer erhebt sich ein riesiger Wal. Pi und Richard Parker, in einer von Pis Visionen, wie sie im Meer tief unten das gesunkene Schiff sehen, der Tiger dabei in seinen Augen ein uraltes Wissen, von dem wir Menschen ausgeschlossen sind.

Dies sind nur wenige Beispiele. Unglaublich auch die digitalen Animationen der Tiere, wo man auch bei sehr genauem Hinsehen kaum die Grenzen zwischen dem realen Tier und der digitalen Kreation erkennen kann.

Und all diese Bilder in perfekter 3D-Technik. Die nächtlichen Szenen sind sicherlich von „Avatar” inspiriert, der hier Maßstäbe gesetzt hat. Dennoch muss sich Ang Lee nicht hinter der Perfektion von James Cameron verstecken, da er selbst ein nahezu perfektionistischer Regisseur ist.

Nicht vergessen sein sollen die Darsteller. Ang Lee hat sich eine kleine, aber feine Riege vor allem indischer Schauspieler zusammengestellt. Mit dem Newcomer Suraj Sharma hat er den perfekten jungen Pi gefunden, mit Irrfan Khan (u.a. „Slumdog Millionaire”) und Tabu (u.a. „The Namesake”) hat er zwei indische Filmstars mit credits in westlichen Filmen besetzt, mit dem eher unspektakulären Engländer Rafe Spall („Anonymus”) dem Schriftsteller ein Gesicht gegeben.

„Life of Pi” ist ein „must see” nicht nur für den geübten Kinogänger, sondern auch für den gelegentlichen. Lassen Sie sich berühren von der Magie der Bilder und der Schönheit der Geschichte.

Apropos: Pi erzählt nach seiner Rettung noch eine alternative Version, weil die Herren von der Versicherung die ursprüngliche nicht glauben wollen. In dieser zweiten Version spielen Menschen die Hauptrollen. Was glauben Sie, für welche der beiden Versionen sich am Ende die beiden Herren entscheiden?

„Life of Pi”, US/Taiwan 2012, Regie: Ang Lee, 127 min.

© frida 2012

Frohe Weihnachten!

Liebe Netzkritzler,
ich wünsche Euch allen ein frohes Weihnachtsfest.
Kommt ein wenig zur Ruhe und genießt die Stille.
Liebe Grüße
Andrea